*RH-92.6* forum salon

Reini Urban rurban at x-ray.at
Wed Dec 29 15:43:40 CET 2004


Noch ein paar Anmerkungen. Walt hat vollkommen recht.

Walther Moser schrieb:
> 1. jenen teil, wo ihr darüber gesprochen habt, dass auf radio
> helsinki keine "journalistische arbeit geleistet würde", in sinne
> eines enthüllungsjournalismus: ich halte entgegen, es obliegt allen
> verantwortlichen bei helsinki, zu enthüllen, was auch immer sie zu
> enthüllen vermögen! das freie radio ist ein "möglichkeitsraum" - also
> ort der verwirklichten meinungsäußerung: nützt sie!

Wir haben sehr wohl immer wieder Sendungen mit hervorragenden 
"Enthüllungsjournalismus".
Hört euch zB. Chris Haderer's Sendungsbeiträge an.
Ansonsten stimmt die Ressourcenkritik, aber wie Walther schon sagte, 
wird es kaum unsere Aufgabe sein, unbezahlte journalistische Arbeit zu 
machen. Einige machen es umsonst, aber nur sehr wenige.
Und dann meist nur im Anlassfall.

> 2. daraus leite ich ab: die differenzierung alltagspolitischer themen
> und skandalgeschichten zur strukturellen leistung: die
> vernetzungsarbeit, die über helsinki läuft bietet einzelnen akteuren und
> der zivilgesellschaft öffentlichkeit: darin sehe ich die eigentliche
> "demokratische leistung" des freien radios - diese leistung ist eine
> strukturelle und wird NUR von freien medien geleistet!

Einspruch: Das Internet ist doch wohl etwas wichtiger in der 
strukturellen und basis-demokratischen Vernetzung der 
zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit. Das ist interaktiv, effektiver 
und hat größere Reichweite. Siehe zB. die Regierungsproteste in den 
letzten Jahren.

> 3. jenen teil, wo ihr über freies radio, quote und hörerInnen
> gesprochen habt - ich habe mich einigermaßen gewundert, über die art des
> skurses. ich habs so verstanden, ihr vergleicht ein freies radio mit
> kommerzielen sendern, soweit so gut. im ohr hängengeblieben ist mir eine
> formulierung, die sich aus dem vergleich mit ostermeiers und edlingers
> "im sumpf" (fm4) ergab, dass deren "format" mehr "hipp" sei, oder so
> ähnlich. ihr habt davon abgeleitet, dass es ein gefälle gäbe, von
> kommerziellen formaten zu freien radios, dieses gefälle sei primär eine
> frage der mittel (ökonomisch), aber - und das ist meine kritik: ein
> ästhetisches gefälle! ich habe eure kopfschmerzen darob über den äther
> empfangen... euer resumee war, hätte ihr mehr ressourcen (formel: geld =
> zeit = gestaltungsmöglichkeiten), würdet ihr in der lage sein "hippere"
> sendungen zu gestalten. zurück zu meiner kritik: wonach richten sich die
> kriterien der gestaltung einer sendung in einem freien radio - in differenz!
> zu kommerziellen? ihr entscheidet, bitte schön, doch selbst über die
> formale und inhaltliche" qualität eurer sendung - und die einschreibung
> des geldes in beide kriterien stelle ich in abrede!

Ich auch. Man kann nicht DIE österreichichische Topsendung, die aus 
jahrelanger Erfahrung und (bezahlter) Arbeit entstanden ist (Ostermayer 
war seit Ende der 80'er "Musicbox Wortchef"), mit der 
Durchschnittssendung eines freier Radios vergleichen.
Ich persönlich halte aber trotzdem einige Topsendungen freier Radios 
besser als die FM4 Topsendung. Formal ästhetisch und inhaltlich.

Ausländische Topsendungen freier Radios (etwa in den USA) halte ich (und 
auch die meisten Radiojournalisten) für unschlagbar gut, im Vergleich 
zur kommerziellen Radiolandschaft. Schau dir mal die jährliche Radio 
Kritikerbewertungen im Rolling Stone an. Das hat mit Geld weniger zu tun 
als mit Freiheit und Unabhängigkeit.
Nicht zuletzt deswegen hat sich zB. FM4 jahrelang erfolgreich gegen ihre 
Kommerzialisierung und Werbung gewehrt. Das ist leider vorbei.

> 4. ob jemand zuhört? ab welcher quote ist eine sendung ein erfolg =
> irrelevant! für mich ist "erfolg", wenn ich jene menschen ansprechen
> kann, die das thema betrifft oder interessiert: die übrigen höhrerInnen
> werden den sender ab- oder weiterdrehen.z.b. wenn kurdInnen für
> kurdinnen sendungen machen. wenn das forum für die kunstszene (in graz)
> sendung macht. d.h. ich habe die vorstellung eines "themen-",
> "interessentInnen-" oder "problemorientierten" radios, das den
> "anforderungen" pluraler urbaner milieus "gerecht" wird - die milieus
> vermitteln sich selbst über das medium radio (= verfügbarkeit!). das
> radio darf keine normen festsetzen, (die ausnahme = grenzensetzen, siehe
> "nonos", redaktionsstatuten), die zielgruppen, formale mittel, stile etc
> betreffen.

Außer das Radio versteht sich als Sparten- oder Jugendsender.
Im US-Ausland werden wir zB. unter "Communityradio" subsumiert.
(ohne Trennung Kommerz + Frei)
Radio Helsinki und die anderen freien Radios in Europa tun das nicht. 
Wie auch Walt schön sagt.
Ist auch ein wesentlicher Unterschied.
-- 
Reini Urban
http://xarch.tu-graz.ac.at/home/rurban/



More information about the RH-92.6 mailing list