*RH-92.6* kunst-stücke: Ist die Abschaffung gesetzeswidrig?!

IG Bildende Kunst office at igbildendekunst.at
Sun Jul 28 17:16:06 CEST 2002


kunst-stücke: Ist die Abschaffung gesetzeswidrig?!
 

Dringender Aufruf zur Beteiligung an einer Beschwerde beim Bundeskommunikationssenat.

 

Gerhard Ruiss legt Beschwerde beim Bundeskommunikationssenat ein: Die Rechtsaufsichtsbehöre möge feststellen, dass der ORF-Beschluss zur Einstellung der Sendung kunst-stücke gesetzeswidrig ist und die Aufhebung dieser Entscheidung verfügen. Mindestens 300 weitere RundfunkteilnehmerInnen (GebührenzahlerInnen!) müssen die Beschwerde unterstützen, damit sie eingereicht werden kann. Deadline ist für die Einreichung ist bereits Mittwoch 31.7., 10 Uhr. Sämtliche Informationen gibt es auch unter http://www.igbildendekunst.at/ (siehe "Beschwerde unterstützen").

 

Laut ORF-Gesetz hat sich der öffentliche Rundfunk an der Vielfalt der Interessen aller SeherInnen zu orientieren und in seinen Sendungen durch hohe Qualität auszuzeichnen. Der ORF hat Auftraggeber, Arbeitgeber und Forum österreichischer Kreativität und Gegenwartskunst zu sein. Wird das Sendeformat kunst-stücke ersatzlos gestrichen oder dessen Inhalte zusammenhangslos auf beliebige Sendeplätze verteilt, ist der Programmauftrag nicht mehr erfüllt. Fehlt die vorgeschriebene Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Wettbewerb mit kommerziellen Sendern, ist auch die Einhebung von Programmentgelten nicht mehr legitimiert.

 

Die Beschwerde im Volltext steht am Ende dieses Mails, der Wortlaut für die Unterstützungserklärung ebenso - beides ist auch attached. Zur Unterstützung den vorgefertigten Text ausdrucken, ausfüllen (Name, Adresse, Geburtsdatum, Datum) und unterschrieben bis spätestens Mittwoch 31.7. 10 Uhr vormittags an eine der folgenden Nummern faxen:

 

01- 408 93 60 (IG Freie Theaterarbeit)

01- 587 59 66 (Galerienverband)

01- 503 71 20-15 (IG Kultur)

01- 526 55 01 (IG Bildende Kunst)

01- 526 20 44-55 (IG Autorinnen Autoren)

 

Kein Faxgerät? 

Persönliches Unterzeichnen ist auch in der Galerie der IG BILDENDE KUNST möglich: 

Dienstag 30.7. von 10-20 Uhr, Gumpendorferstraße 10-12, 1060 Wien.

 

Kein/e Rundfunkteilnehmer/in (Gebührenzahler/in)?

Diesen Aufruf  bitte weiterschicken. In Österreich gibt es lt. ORF "3,1 Mio TV- und Radiohaushalte".

 

 

Die Initiative zu dieser Beschwerde basiert auf einer Zusammenarbeit von:

Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport und freie Berufe; Verband österreichischer Galerien Moderner Kunst; Secession; Amour Fou Filmproduktion GmbH; Kulturpolitische Kommission. PLATTFORM DER UNABHÄNGIGEN INTERESSENSVERTRETUNGEN IM KUNST- UND KULTURBEREICH. (Dachverband Filmschaffender, IG Architektur, IG Autorinnen Autoren, IG Bildende Kunst, IG Freie Theaterarbeit, IG Kultur Österreich, konsortium.Netz.kultur, Musikergilde, Übersetzergemeinschaft, Verband Freier Radios, VOICE - Verband der Sprecher und Darsteller, Berufsvereinigung der bildenden Künstler - BV); 



 

 

Rückfragehinweis:

 

Daniela Koweindl

IG BILDENDE KUNST

office at igbildendekunst.at

Tel. 01- 524 09 09

 

Gerhard Ruiss

IG Autorinnen Autoren

ig at literaturhaus.at

Tel. 01- 526 20 44-13

 

Gabi Gerbasits

IG Kultur Österreich

office at igkultur.at

Tel. 01 - 503 71 20

 



 

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FORMULAR UNTERSTÜTZUNGSERKLÄRUNG

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Unterstützungserklärung

 

 

Ich bin RundfunkteilnehmerIn und schließe mich der an den Bundeskommunikationssenat gerichteten Beschwerde des Rundfunkteilnehmers Gerhard Ruiss vom 25.7.2002 an. 

 

Der Bundeskommunikationssenat wolle feststellen, dass der Beschluss des Beschwerdegegners (Österreichischer Rundfunk, 1136 Wien, Würzburggasse 30) vom 19.06.2002 zur Einstellung der Sendung kunst-stücke gesetzwidrig ist. Gemäß § 37 Abs. 2 Rundfunkgesetz wolle der Bundeskommunikationssenat weiters die Aufhebung der Entscheidung 19.06.2002 zur Einstellung der Sendung kunst- stücke verfügen.

 

 

Name                          Adresse                      Geburtsdatum               Datum u. Unterschrift

(in BLOCKSCHRIFT)                (in BLOCKSCHRIFT)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bis spätestens Mittwoch 31.7., 10 Uhr an eine der folgenden Nummern faxen:

01- 408 93 60 (IG Freie Theaterarbeit) 

01- 587 59 66 (Galerienverband)

01- 503 71 20-15 (IG Kultur)

01- 526 55 01 (IG Bildende Kunst)

01- 526 20 44-55 ( IG Autorinnen Autoren)







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VOLLTEXT DER BESCHWERDE

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An den 

Bundeskommunikationssenat

Bundeskanzleramt

 

Ballhausplatz 2

1014 Wien                                   
                                                                                                          Wien, am 23.07.2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beschwerdeführer:            Gerhard Ruiss (Rundfunkteilnehmer)

                                    geb. 29.05.1951

                                    wohnhaft in 1090 Wien, Grünentorgasse 15/21

unterstützt von weiteren 300 Rundfunkteilnehmern lt. Liste

                

 

Beschwerdegegner: Österreichischer Rundfunk 

                                 1136 Wien, Würzburggasse 30

 

 

vertreten durch:     Dr. Monika Lindner, Generaldirektorin, eben dort

 

 

 

wegen:            Verletzung von Bestimmungen des Rundfunkgesetzes

 

 

 

 

BESCHWERDE
 

 

 

2-fach

1 Rubrik

1 Liste 

 

 

 

 

 

 

 

 

In umseitig bezeichneter Bundeskommunikationssenatssache und unter Anschluss der vom Gesetz geforderten 300 Unterstützungserklärungen weiterer Rundfunkteilnehmerinnen und -teilnehmer erhebe ich in offener Frist nachstehende

 

BESCHWERDE
 

an den Bundeskommunikationssenat. 

 

 

Begründung: Mit Beschluss vom 19.06.2002 hat das zuständige Gremium des Beschwerdegegners, der Stiftungsrat des ORF, auf Antrag der Generaldirektorin des ORF eine Programmjustierung und damit die Einstellung der Sendung kunst-stücke beschlossen. Mit dem Beschluss der Einstellung dieser Sendung ist für die beschwerdeführenden Rundfunkteilnehmer ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Gesetzwidrigkeit dieses Beschlusses wegen Verstoßes gegen den § 4 des Rundfunkgesetzes (Programmauftrag) gegeben.

 
 
Ich erlaube mir, die zentralen Passagen des Rundfunkgesetzes, auf die sich diese Beschwerde bezieht, zu zitieren. Dort heißt es unter anderem (Hervorhebungen durch den Beschwerdeführer):



 § 4.        (1) Der Österreichische Rundfunk hat durch die Gesamtheit
               seiner gemäß § 3 verbreiteten Programme zu sorgen für:
 
1.       die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen;
2.       ...
3.       ...
4.       ...
5.       die Vermittlung und Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft;
6.       die angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion;
7.       die Vermittlung eines vielfältigen kulturellen Angebots;
 
 

(2) In Erfüllung seines Auftrages hat der Österreichische Rundfunk
ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anzubieten. Das Angebot hat sich an der Vielfalt der Interessen aller Hörer und Seher zu orientieren und sie ausgewogen zu berücksichtigen.
 

(3) Das ausgewogene Gesamtprogramm muss anspruchsvolle Inhalte
gleichwertig enthalten. Die Jahres- und Monatsschemata des Fernsehens sind so zu erstellen, dass jedenfalls in den Hauptabendprogrammen (20 bis 22 Uhr) in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen. Im Wettbewerb mit den kommerziellen Sendern ist in Inhalt und Auftritt auf die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks zu achten. Die Qualitätskriterien sind laufend zu prüfen.
 
(4) Insbesondere Sendungen in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft haben sich durch hohe Qualität auszuzeichnen. Der Österreichische Rundfunk hat ferner bei der Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen auf die kulturelle Eigenart, die Geschichte und die politische und kulturelle Eigenständigkeit Österreichs sowie auf den föderalistischen Aufbau der Republik besonders Bedacht zu nehmen.
 

 

Mit dem Beschluss vom 19. 06. 2002 durch das zuständige Gremium des Beschwerdegegners wurde, wie oben bereits geschildert, der Programmauftrag desavouiert. 

 

Die kunst-stücke sind der einzige ORF-Programmplatz, der per definitionem für innovative, künstlerische Fernsehformen jenseits inhaltlicher und formaler Konventionen offen steht und der die Produktion und die Ausstrahlung ästhetisch riskanter Projekte im ORF ermöglicht. Die kunst-stücke sind dabei nicht nur eine der international bekanntesten Marken des ORF, sie begleiten und fördern seit ihrer Gründung das österreichische Filmschaffen und einige seiner erfolgreichsten Protagonisten. Als Forum für avancierte Kurz-, Experimental- und Animationsfilme ebenso wie für Dokumentarfilme, als Initiator, Unterstützer und Auftraggeber für unkonventionelle Film- und Fernsehprojekte haben die kunst-stücke eine zentrale Bedeutung in der österreichischen Filmlandschaft. 


Gleichzeitig sind die kunst-stücke die einzige Sendung, die innovative, künstlerische Film- und Fernsehformen einem österreichweiten Publikum zugänglich macht. Gerade abseits der großen Städte sind die kunst-stücke für viele Österreicherinnen und Österreicher die einzige Möglichkeit, künstlerische filmische Arbeiten jenseits des Mainstreams zu sehen.

 

Es bedarf keiner besonderen Erörterung, dass die Hauptaufgabe eines bundesweiten österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Wahrung der kulturellen Identität besteht. Umso mehr als die Geltung der Republik Österreich auf ihrer Bezeichnung als "Kulturnation" beruht. Unumstritten ist, dass das österreichische kulturelle Erbe und die österreichische Gegenwartskunst innerhalb und außerhalb Österreichs Anerkennung finden und maßgeblichen Einfluss auf die europäische und weltweite Kulturentwicklung hatten und haben. Gerade in den letzten Jahren kommt dem österreichischen Filmschaffen dabei eine bedeutende Rolle zu: die großen Erfolge von Künstlern wie Michael Haneke (Großer Preis der Jury in Cannes für "Die Klavierspielerin"), Ulrich Seidl (Preis der Jury in Venedig für "Hundstage") oder Virgil Widrich (Oscar-Nominierung für "Copy Shop") beweisen, dass der heimische Film zu einem der wichtigsten kulturellen Botschafter Österreichs in der Welt und zu einem zentralen identitätsstiftenden Element österreichischer Kultur geworden ist.

 

Den kunst-stücken kommt dabei im Rahmen des ORF-Programms eine ganz wesentliche Rolle zu: während die Sendung "Treffpunkt Kultur" über wichtige, aktuelle Ereignisse vor allem im Bereich der Hochkultur berichtet, sind die kunst-stücke jene Sendung, die die Produktion und die Ausstrahlung von innovativen künstlerischen Werken (Kino- und TV-Filmen) ermöglicht. Es ist die einzige, in einer selbständigen Programmabteilung organisierte Sendung des ORF mit Image, Label, Sendeplatz und eigenem Produktions- und Ankaufsbudget, die eigenständige künstlerische Arbeiten mit innovativem Charakter im ORF verankern, unterstützen und ausstrahlen kann. 

 

Wird das dazugehörige Sendeformat gestrichen, wird ein Abstellgleis für bedeutende Bereiche der österreichischen Gegenwartskunst geschaffen. Mit Produktionen, denen später kein Sendeplatz zur Verfügung steht, wird die Verpflichtung zu "Vermittlung und Förderung von Kunst" im Rahmen eines differenzierten Gesamtprogramms, das "anspruchsvolle Inhalte gleichwertig" enthält, unterlaufen. Die im ORF-Gesetz geforderte Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (und diese bezieht sich ausdrücklich auf das Angebot von anspruchsvollen Sendungen!) im Wettbewerb mit den kommerziellen Sendern ist damit im Bereich der Kunst und Kultur nicht mehr gegeben und die "angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen kreativen Produktion" sowie die "Vermittlung eines Vielfältigen Angebots" bleibt unberücksichtigt.

 

Die geplante Abschaffung der Sendung kunst-stücke hat eine breite Welle des Protests unter den ORF-Seherinnen und Sehern und unter den Kulturschaffenden ausgelöst. Mehr als 15.000 Menschen haben eine Petition unterzeichnet, die die Erhaltung und den gezielten Ausbau der kunst-stücke fordert. Diese Petition ist mittlerweile dem Parlament übergeben worden und wird dort im Oktober im zuständigen Petitionen-Ausschuss behandelt werden. Die breite Unterstützung für die Petition zeigt deutlich, dass der ORF mit der Abschaffung der kunst-stücke eine Grenze überschreiten würde: wenn der ORF zentrale Aufgaben des Programmauftrags nicht mehr wahrnehmen sollte, dann stellt sich die Frage, ob er überhaupt noch den gesetzlichen Anforderungen, die an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestellt werden, entspricht. 

 

Die Sendungsinhalte der kunst-stücke sollen nach den vom Stiftungsrat genehmigten Programmplänen auf verschiedene Sendeflächen aufgesplittet werden. Diese Aufsplitterung bedeutet in Wahrheit mittelfristig die endgültige Abschaffung dieser Inhalte: denn wenn es keine fixe, eigenständige Sendung mit Namen, Marke, eigenem Budget und eigener Verantwortlichkeit und Entscheidungsgewalt mehr gibt, dann kann auch kein Sendungsprofil entwickelt werden, es kann keine Publikumsbindung hergestellt werden, und die Inhalte der kunst-stücke werden ein Schattendasein in Programmflächen lange nach Mitternacht führen, um schliesslich ganz zu verschwinden oder abseits der Wahrnehmung des Publikums, sozusagen als kulturelle Alibiaktion, mit minimalem Aufwand weitergeführt zu werden.

 

Hiezu meint etwa Werner Richter, der Vorsitzende der Übersetzergemeinschaft, in einem Schreiben im Namen der Kulturpolitischen Kommission: "Es geht hier auch um die Verantwortung gegenüber der (kunst)-interessierten Bevölkerung: die vom ORF nun offenbar geplante Zersplitterung der Sendungsinhalte der kunst-stücke auf drei verschiedene Sendeplätze mit unvorhersehbaren und wechselhaften Sendezeiten (euphemistisch: ,inhaltliche Weiterführung') ist gewiss kein adäquater Weg, dem Publikum diese Inhalte irgendwie zugänglicher zu machen. Der offensichtlich programmbestimmende Vorwurf der geringen Einschaltquoten (der mit der gleichzeitigen Betonung, derartige Sendungen seien immer ein Minderheitenprogramm, ohnehin schon ad absurdum geführt ist) wird auf diese Weise ja perpetuiert und sogar verschärft und als Damoklesschwert über anspruchsvolle Sendebeiträge gehängt, die in Zukunft noch dazu ohne irgendein Rahmenprogramm auftauchen sollen."

 

In einem Offenen Brief von Daniela Koweindl (Kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst), der ebenfalls im Namen der Kulturpolitischen Kommission an den Herrn Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel und an den Herrn Staatssekretär Franz Morak gerichtet wurde, heißt es: "Der Stiftungsrat des ORF hat am 19.6.2002 eine Programmjustierung ab Oktober 2002 und dabei die Einstellung der Sendung kunst-stücke beschlossen. Die Kulturpolitische Kommission protestiert auf das Schärfste gegen diese konzeptlose Streichung des einzigen fixen Sendeplatzes für Auseinandersetzung mit zeitgenössischer, innovativer Kunst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Absetzung der kunst-stücke hätte eine massive Gefährdung von Arbeitsfeldern für Kunstschaffende sowie den Verlust von Informations- und Konsumationsquellen für Kunstinteressierte zur Folge."

 

Ich, der unterzeichnende Beschwerdeführer, und die Unterstützerinnen und Unterstützer dieser Beschwerde, sind der Meinung, dass mit der Abschaffung der kunst-stücke ein zentraler Baustein aus jenem Gefüge herausgelöst wird, der die Umsetzung des Kulturauftrages des ORF garantiert. Wird die Sendung tatsächlich abgeschafft, dann gibt es keine Sendung im ORF mehr, die die Arbeiten bedeutender österreichischer Filmemacherinnen und Filmemacher ermöglicht, unterstützt und der breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Das Publikum würde gleichzeitig das einzige Fenster für avancierte Film- und TV-Formen im ORF-Programm verlieren.

 

Die Petition zum Erhalt und Ausbau der kunst-stücke, die auf den Kulturauftrag des ORF verweist, wurde bis zum heutigen Tag von 15.203 ORF-Seherinnen unterstützt, darunter zahlreiche prominenten Künstlerinnen und Künstlern. Die Petition wird weiters von Kulturinstitutionen getragen - wie die Austrian Film Commission, der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden, das Drehbuchforum Wien, der Drehbuchverband Austria, die IG Bildende Kunst, die IG Kultur Österreich, die IG Architektur, der Verband der Filmregisseure Österreichs, der Verband Film- und Videoschnitt, der Verband Österreichischer Filmschauspieler (VÖFS), der Verband Österreichischer Kameraleute (AAC), die Verwertungsgesellschaft Bildender Künstler VBK oder der Österreichische Komponistenbund.

 

Die Petition als auch die lange Liste der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner wurden Generaldirektorin Dr. Monika Lindner übergeben und sämtlichen Entscheidungsträgern am 19.6.2002 vor der entscheidenden Sitzung zur Kenntnis gebracht. Die massive Kritik von zu diesem Zeitpunkt bereits über von 12.000 Menschen und damit die "Vielfalt der Interessen aller (...) Seher" wurde schlichtweg ignoriert. Von einer Orientierung an den Interessen "aller" oder einer ausgewogenen Berücksichtigung im Angebot - wie im ORF-Gesetz verlangt - kann keine Rede sein!

 

Die breite Unterstützung für die kunst-stücke ist eine klare Bestätigung meiner Einschätzung, dass die Abschaffung der kunst-stücke den Programmauftrag des ORF eklatant verletzt und damit dem ORF-Gesetz zuwiderläuft. Da der ORF ein unter anderem durch Programmentgelte finanzierter, öffentlich-rechtlicher Sender ist, muss er sich in seiner Programmgestaltung von einem privaten, kommerziell ausgerichteten Sender unterscheiden. Daher widerspricht die Abschaffung der einzigen Sendung, die mit einem eigenen Ankaufs- und Produktionsbudget für innovative, nicht-kommerzielle Film- und TV-Projekte ausgestattet ist, dem gesetzlichen Programmauftrag des ORF.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit der Abschaffung der kunst-stücke in mehreren Punkten eine Verletzung des ORF-Gesetzes begangen wird. Diese Feststellung treffe ich als Beschwerdeführer unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, dass die öffentlich gemachten Plänen der ORF-Leitung die Inhalte und Formen der kunst-stücke nicht oder nur in sehr geringer Form übernehmen soll: die Sendefläche am Donnerstag um 23.30 soll nach Medienberichten für eine Jugendsendung genutzt werden (wobei der Sendetermin kurz vor Mitternacht am Abend vor einem Schul-, Arbeits- und Universitätstag aus naheliegenden Gründen nicht wirklich ideal erscheint, aber dies ist nicht das Thema der vorliegenden Beschwerde). Die geplante Aufsplitterung der kunst-stücke-Inhalte auf verschiedene Sendetermine, zum Teil weit nach Mitternacht, würde die Themen und Inhalte der kunst-stücke so marginalisieren, dass auch diese Aufsplitterung die Abschaffung der Sendung keinesfalls rechtfertigen oder ausgleichen würde.

 

Wird die Sendung kunst-stücke also mehr oder weniger ersatzlos gestrichen und werden (wie geplant) dessen Inhalte zusammenhangslos auf beliebige Sendeplätze verteilt, drängt sich die Frage auf, wo im öffentlich-rechtlichen Fernsehen das im ORF-Gesetz verlangte "Forum für Gegenwartskunst" noch existiert! Keine andere Sendung aus dem bestehenden Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Fernsehens erfüllt dieses Kriterium. Eine Zersplitterung des Sendeplatzes auf mehrere unzusammenhängende Einheiten macht die Erfüllung dieser Aufgabe gänzlich unmöglich. Der Beschluss, die Sendung kunst-stücke einzustellen wurde gefasst, obwohl zum genannten Zeitpunkt kein Konzept oder ein wie auch immer gearteter Alternativvorschlag vorlag, wie die zitierte Forderung des ORF-Gesetzes in irgendeiner Weise in Zukunft erfüllt werden könnte. Im Gegenteil: die geplante Programmjustierung schließt eine Verwirklichung dieses Programmauftrages gänzlich aus. 

 

Eine Einstellung der Sendung kunst-stücke und eine Zersplitterung des Sendeplatzes macht es außerdem unmöglich, die ausgestrahlten Beiträge in ein notwendiges Rahmenprogramm zur Kunstvermittlung einzubetten und die lt. ORF-Gesetz bestehende Verpflichtung zur "Vermittlung von Kunst" wahrzunehmen.

 

 

Folgende Bestimmungen des ORF-Gesetzes würden somit durch die Abschaffung der kunst-stücke verletzt werden:

 
 
§4 (1) 5: die Vermittlung und Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft
 
Durch die Abschaffung der kunst-stücke würde ein wichtiger Teil des österreichischen Kunst- und Kulturlebens, nämlich das innovative österreichische Filmschaffen, vom ORF nicht mehr an das Publikum vermittelt und auch nicht mehr gefördert werden.
 
 
§ 4 (1) 6: die an angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion;


Durch die Abschaffung der kunst-stücke würde die einzige Sendung abgeschafft werden, die an österreichische (Film)künstlerinnen und -künstler direkt Produktionsaufträge für die Herstellung innovativer künstlerischer Arbeiten vergeben kann, und zwar unabhängig von Format, Länge, Genre und künstlerischer Konzeption.


 
§ 4 (1) 7: die Vermittlung eines vielfältigen kulturellen Angebots;

Durch die Abschaffung der kunst-stücke würde die Vielfalt des vermittelten kulturellen Angebots nicht mehr gewährleistet sein, weil ein wichtiges Spektrum österreichischer Kultur im ORF nicht mehr vertreten wäre; 
 
 

§ 4 (2): In Erfüllung seines Auftrages hat der Österreichische Rundfunk
ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anzubieten. Das Angebot hat sich an der Vielfalt der Interessen aller Hörer und Seher zu orientieren und sie ausgewogen zu berücksichtigen.

Durch die Abschaffung der kunst-stücke wäre die Differenziertheit des Gesamtprogramms nicht mehr gegeben, weil ein bedeutender Teilbereich österreichischer Kultur nicht mehr ausreichend berücksichtigt werden könnte. Darüberhinaus würden die Interessen eines Teils der ORF-Gebührenzahlerinnen, darunter die Unterzeichneten, nicht mehr berücksichtigt werden, da es keine regelmässige Sendung mehr gäbe, die diese Interessen abdecken würde. Da über 15.000 Personen die Petition für die kunst-stücke unterschrieben haben, ist das an den Inhalten und Themen der kunst-stücke interessierte Publikum erwiesenermaßen eine im Sinne des ORF-Gesetzes zu berücksichtigende Größe.
 


§ 4(3): Das ausgewogene Gesamtprogramm muss anspruchsvolle Inhalte gleichwertig enthalten. Die Jahres- und Monatsschemata des Fernsehens sind so zu erstellen, dass jedenfalls in den Hauptabendprogrammen (20 bis 22 Uhr) in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen. Im Wettbewerb mit den kommerziellen Sendern ist in Inhalt und Auftritt auf die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks zu achten. Die Qualitätskriterien sind laufend zu prüfen.

Während die Sendung "Treffpunkt Kultur" die Berichterstattung zur Hochkultur abdeckt und der ORF auf verschiedenen Sendeflächen Oper und Theater wahrnimmt, sind die kunst-stücke die einzige Sendung, die dem innovativen Filmschaffen und den damit verbundenen Inhalten Raum im ORF gibt und die Herstellung von Arbeiten in diesem Kontext unterstützt und ermöglicht. Die Abschaffung der Sendung würde daher einerseits das Angebot anspruchsvoller Inhalte markant reduzieren und andererseits ein zentrales Merkmal der Unterscheidung zwischen einem öffentlich-rechtlichen und einem kommerziellen Sender verschwinden lassen.


§ 4 (4): Insbesondere Sendungen in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft haben sich durch hohe Qualität auszuzeichnen. Der Österreichische Rundfunk hat ferner bei der Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen auf die kulturelle Eigenart, die Geschichte und die politische und kulturelle Eigenständigkeit Österreichs sowie auf den föderalistischen Aufbau der Republik besonders Bedacht zu nehmen.
 

Die kulturelle Eigenständigkeit Österreichs ist in den letzten Jahren durch die Erfolge des österreichischen Films (international und in Österreich selbst) offensiv weiterentwickelt und im Filmbereich neu definiert und verankert worden. Zu dieser sehr erfreulichen Entwicklung haben die kunst-stücke mit ihrer Unterstützung innovativer filmischer Projekte und durch deren Ausstrahlung im ORF wesentlich beigetragen. Darüber hinaus sind die kunst-stücke jene Sendung, die sich gezielt der Förderung des Nachwuchses, also der jungen Regisseurinnen und Regisseure (etwa von den Kunstuniversitäten und der Filmakademie), widmet und damit das kreative heimische Potenzial unterstützt. Die Abschaffung der kunst-stücke wäre somit auch eine Entscheidung gegen die Förderung der kulturellen Eigenart und Eigenständigkeit Österreichs, die im Bereich des Filmschaffens internationale Anerkennung genießt.

 

 

Aus all diesen Gründen stelle ich - unterstützt von 300 weiteren Rundfunkteilnehmerinnen und Rundfunkteilnehmern - den 

 

A N T R A G
 

der Beschwerde Folge zu geben. Der Bundeskommunikationssenat wolle feststellen, dass der Beschluss des Beschwerdegegners vom 19.06.2002 zur Einstellung der Sendung kunst-stücke gesetzwidrig ist. Gemäß § 37 Abs. 2 Rundfunkgesetz wolle der Bundeskommunikationssenat weiters die Aufhebung der Entscheidung 19.06.2002 zur Einstellung der Sendung kunst- stücke verfügen.

 

 

 

 

Wien, am  26.07.2002                                    Gerhard Ruiss

u. weitere 300 Rundfunkteilnehmer/innen









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