+comunity+ Endredaktion Programm 2018
Martin Schitter
ms at mur.at
Do Okt 12 17:36:57 CEST 2017
On 2017-10-12 13:55, ft at mur.at wrote:
> geschaetzte comunizierende,
> ich hab den antrag angeschaut (und dank an die autorinnen!) und ein paar
> anmerkungen zu den teilen, die ich gelesen hab (mit dem ueblichen
> disclaimer: sind alles vorschlaege; nehmt was ihr brauchen koennt, und
> den rest verwerft):
lieber friedrich!
ganz ganz lieben dank, dass du dir diese mühe gemacht hast!
deine anregungen sind wirklich super!
wennst sie gleich auf gitlab gemacht hättest, und wir einfach nur mehr
entscheiden müssten, ob wir den jeweiligen änderungsvorschlag mergen od.
die ursprüngliche formulierung beibehalten, wäre es natürlich noch
praktischer, aber so einfach gestalet sich das ja leider nie, wenn
mehrere leute gemeinsam an einem text arbeiten.
ich muss mich bei meiner antwort relativ kurz halten, damit ich nicht
alle zeit vertrödle, um deine anregungen noch tatsächlich einzubauen.
trotzdem sind es oft gerade die eher kleinen änderungswünsche bzw. dein
ausgesprochen feines gefühl für mängel im sprachliche ausdruck, die ich
natürlich besonders schätze.
> # ich wuerd den ersten absatz ("Obwohl mur.at ... herausgegriffen")
> streichen.
> - er klingt entschuldigend: eigentlich machen wir was anderes, aber wir
> wollen trotzdem ueber machine learning nachdenken.
ja -- dass hat auch margarethe schon sehr nachdrücklich bemängelt,
obwohl es in der fassung, auf die sie sich bezogen hat noch ein bisserl
anders ausgeschaut hat.
sie würde sich dort unbedingt eine kurzzusammenfassung bzw. ein abstract
wünschen.
ich bin mit der gegenwärtigen form auch nicht glücklich. sie ist eher
nur als ausflucht entstanden, um nicht gleich von anfang die leser mit
dem hauptthema zu erschlagen...
> - ihr betont die aktualitaet des themas gleich zwei mal
> (aktuell/hochaktuell), ohne sie zu argumentieren. dann ist aktualitaet
> aber nicht mehr als ein leeres schlagwort. auch weiss ich nicht, was
> hochaktuell bedeutet und wie es sich von aktuell unterscheidet. und
> schliesslich kann man sich auch sehr fruchtbar mit themen befassen, die
> nicht aktuell sind.
o.k. -- mir gefällt das "hochaktuell" natürlich auch nicht.
allerdings geht's da wirklich um einen ziemlich einschneidenden
paradigmatischen wandel, der erst in den letzten jahren so richtig ins
rollen gekommen ist und zusehends immer mehr konkrete anwendung und
folgen zeigt.
> - "herausgegriffen" - das klingt wie zufall; als haett es auch ein
> beliebiges anderes thema sein koennen.
ja -- hätte es ja auch wirklich sein können.
es wäre genauso legitim/plausibel/möglich gewesen, bspw. die aktuellen
fragen rund um bitchain-techniken bzw. neue formen des elektronischen
gelds bzw. kryptografisch abgesicherter verteilungsformen zu
thematisieren...
> # Kunst und machine learning
> - ich würds umstellen: machine learning und kunst.
o.k.
> - ", der in seinem vollen Umfang noch kaum absehbar ist": streichen - es
> gibt fast nichts, das in seinem vollen umfang absehbar waere.
ok -- die formulierung ist natürlich unerträglich schwach, aber es ist
eben wirklich ein feld, wo so sich augenblicklich unheimlich viel tut
und für niemandem klar abschätzbar ist, wohin sich das entwickelt...
das macht die sache ja so spannend!
> - ihr setzt stillschweigend voraus, dass menschliches und maschinelles
> lernen das gleich sei.
nein -- dem würde ich ganz klar widersprechen!
es ist eher so, dass die entsprechenden bezeichnungen ('machine
learning', 'artificial intelligence'...) oft anfänglich diese falschen
assoziationen aufkommen lässt. wenn man sich ein bisserl näher mit der
entsprechenden materie befasst, wird aber schnell klar, dass diese
bezeichnungen nicht sehr glücklich gewählt sind bzw. eben wirklich in
die irre führen.
aber genau diese sensibilisieruzng nez. ein bemühen um aufgeklärte
zugänge zu diesem größeren themenfeld, sollte als ein zentrales ziel
unseres projekts verstanden werden.
> daran hab ich schon deswegen meine zweifel, weil
> menschliches lernen nichts homogenes ist: eine sprache zu lernen ist
> etwas andres als zu lernen, mit einem kind umzugehen oder zu
> philosophieren (was montaigne zufolge nichts anderes sei als sterben zu
> lernen). umgekehrt muessen rechner bestimmte sachen nicht lernen,
> sprachen zb, die als computersprachen entweder funktionale voraussetzung
> sind oder die man ihnen als woerterbuch einspeist, und dann haben sie
> den ganzen thesaurus intus. insofern waer es womoeglich sinnvoll, ueber
> die differenzen zwischen lernen, lernen und lernen ein paar worte zu
> verlieren. und dann stellt sich am ende vielleicht heraus, dass es bei
> den lernenden maschinen nicht so sehr um lernen geht als um
> selbstoptimierende prozesse bei der verarbeitung grosser datenmengen.
das ist eine wirklich spannende frage, die mich persönlich auch sehr
beschäftigt.
ich würde halt darauf ungefähr so antworten, dass sehr viele unserer
maschinen und technisch realisierten prothesen immer auch eine ganze
menge darüber erzählen, wie wir den menschen und die welt verstehen und
deuten.
computer sind in diesem sinne über weite strecken ihrem kern nach als
reale umsetzung jener träume und zugänge verstehen, mit denen bspw. in
der philosophie schon lange davor gedanklich gespielt wurde (leibniz,
frege...).
richtig spannend wird das erst dadurch, dass mit diesem prozess der
technischen verwirklichung immer auch eine form von erkenntnisgewinn
bzw. praktischem feedback verbunden ist.
am konsequentesten scheint mir das giambattista vico mit seinem
berühmten "verum factum"-dictum erfasst zu haben. womit er zum ausdruck
bringt, dass menschliche erkenntnis weder in der beobachtung von
naturgesetzen noch in der berufung auf auf unumstößlich gültige
einsichten der formalwissenschaften gesucht werden sollte, sondern
alleinig die vom menschen hervorgebrachten kulturleistung als wichtigste
quelle des erkenntnisfortschritts für uns menschen verstanden werden
sollte. (siehe:
https://en.wikipedia.org/wiki/Giambattista_Vico#The_principle_of_Verum_factum)
> - "Wenn wir uns bei mur.at dieser Herausforderung stellen, geht es daher
> weniger nur um eine bloße Nutzbarmachung entsprechender Ansätze für
> kreative Zwecke, als vorrangig um eine tiefergehende Sensibilisierung
> und Beschäftigung mit den zu Grunde liegenden Fragen. Nicht einfach nur
> die bloße Aneignung und Illustration entsprechender Algorithmen und
> Werkzeuge ist das Ziel, sondern vielmehr sachkundige Reflexion." ganz
> abgesehen davon, dass es sprachtaktisch bei antraegen eher unproduktiv
> ist zu formulieren, was man nicht machen will: das find ich arg
> allgemein: was ist tiefergehende sensibilisierung? was sachkundige
> reflexion?
wie gesagt -- alleine schon die namensgebenung "machine learning" führt
den uneingeweihten oft schon in die irre.
was mir aber wichtiger ist, ist der anspruch, das wir nicht mit der
bloßen aneignung und nutzbarmachung entsprechender algorithmen begnügen.
das hat etwas ziemlich unbefriedigendes/beliebiges/oberflächliches an
sich. viel spannender scheint es mir, sich mit solchen techniken zu
beschäftigen, darüber nachzudenken, und dann zu schauen, was sich
dadurch an neuen einsichten erschließt. derartiges dann wieder mit
sinnlichen erfassbaren ausdrucksformen bzw. künstlerischem bemühen in
verbindung zu bringen, schließt dann wieder den kreis.
jedenfalls braucht's hier immer mehrere schritte der annäherung, damit
man auch wieder genügend abstand hat, um in der reflexion auch
tatsächlich etwas zu erkennen.
> - und es geht in dem ganzen programmatischen absatz nicht einmal um
> kunst (was ein weiteres argument waer, den titel umzustellen). ihr sagt,
> dass es um mehr gehn soll als um die kreative nutzung von machine
> learning, was ich prinzipiell gut finde. aber dann macht doch ein
> argument draus: dass strukturen des machine learning mit denen
> kuenstlerischer lernprozesse verwandt waeren (ob das stimmt, kann ich
> nicht sagen). oder dass es um vergleiche und ueberlagerungen von
> kuenstlerisch vermittelten ud maschinellen lernprozessen geht. oder ganz
> generell; formuliert, dass es in dem jahr darum gehen koennte,
> menschliche (kuenstlerische und nicht-kuenstlerische) lernprozesse in
> beziehung zu setzen und auf ausschluesse und ueberlagerungen zu
> untersuchen.
ich kann dir darauf nur antworten, dass ich persönlich, wenn ich diese
algorithen, die sich mit der erkennung von ähnlichkeiten, der
automatisierten isolierung und klassifizierung von objekten u.ä.
befassen, immer wieder unweigerlich an den berühmten text von chr.
ehrenfels "Über Gestaltqualitäten" erinnert werde:
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k94141n/f254.image
und obwohl er diesen bahnbrechenden text nur während eines kurzen
studienaufenthalts hier in graz geschrieben hatund auch nicht zum
engeren kreis der "Grazer Schule" gezählt wird, ist es noch immer ein
ziemlich beeindruckends und fachübergreifend bedeutsames dokument.
die "Grazer Schule" mag zwar vielleicht mit den berühmtheiten auf dem
gemälde von raffael nicht mithalten können, trotzdem sind es gerade
diese, auf den ersten blick nicht immer klar erkennbaren, beziehungen
zwischen ihren avancierten forschungsbemühungen und der gleichzeitigen
bezugnahme auf das erbe antiker vorgänger, die hier oft ganz
ungewöhnliche zugänge eröffnen.
dass diese ansätze im vergangene jahrhundert weitestgehend dem
linguistic turn gewichen sind, und bestenfalls in anderen fachrichtungen
eine bedeutsame rolle spielen sollten, tut der sache keinen abbruch. es
scheint mir aber ziemlich spannend, dass die hier zur debatte stehenden
aktuellen entwicklungen in der computertechnik wieder auffallende
ähnlichkeiten und berührungspunkte mit den damaligen fragen aufweisen.
> # Durchführung
> - "Da es sich ... Stellenwert zu." wuerd ich komplett streichen: im
> grunde sagt ihr damit, dass ihr vom gegenstand keine ahnung habt und
> erstmal rauskriegen muesst, was ihr wollt.
ja -- wenn man ehrlich sein will, ist es ja natürlich so...
aber natürlich, muss man das ja nicht unbedigt zur sprache bringen ;)
> - "scheint uns": nee: ist. keine relativierungen - die machen niemanden
> gleucklich und keinen text besser.
danke nocheinmal für all deine anregungen!
meine antwort darauf soll übrigens keineswegs als entschuldigende
realtivierung der aufgezeigten mängel verstanden werden, weil ja auch
der resultierende text für sich selbst stehen muss(!), und sicher auch
bei anderen ganz ähnliche kritik auslösen dürfte, trotzdem war es mir
ein anliegen, mit meinen reaktionen wenigstens ein bisserl im kopf
durchzuspielen, wie ich darüber denke...
schau ma einmal, was ich heute nacht noch eilig an unserem entwurf
ändern kann...
jedenfalls finde ich es wirklich super, dass du dich in dieser
konstruktiven weise eingebracht hast!
danke!
martin
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