*RH-92.6* Resolution der ZIB-Redakteursversammlung

Reini Urban rurban at x-ray.at
Wed Jul 4 15:19:01 CEST 2001


Das ist mir ganz entgangen:
From: Bernhard Steiner <best at best.priv.at>
Newsgroups: at.medien.fernsehen
Subject: Resolution der ZIB-Redakteursversammlung
Date: Wed, 27 Jun 2001 15:32:55 +0200

Resolution der ZIB-Redakteursversammlung

   Wien (OTS) - Die Redakteure der Zeit im Bild-Sendungen müssen sich
wieder einmal gegen politischen Druck wehren. Mit dem Näherrücken der
Beschlußfassung des ORF-Gesetzes haben Zahl und Vehemenz der
Interventionen der Regierungsparteien stark zugenommen.


   A.FPÖ-Klubobmann und ORF-Kurator Westenthaler


   1. Versuchte Einschüchterung und Beeinflussung der
Berichterstattung am FPÖ-Konvent


   Der FPÖ-Klubobmann attackierte den ZIB-Redakteur in
herabwürdigender Weise in Hörweite anderer Journalisten wegen seines
Berichtes in der 13 Uhr-ZIB. Es fielen folgende Ausdrücke: "Weis sagt
ihnen offenbar, was sie berichten müssen", "sie haben die
Veranstaltung nicht verstanden", "Abfangjäger sind kein Thema", "so
kann die ZIB-Geschichte nicht aussehen" etc.


   2. Versuch, die Pressekonferenz "Plakataktion Kindergeld" in die
ZiB 1 zu bringen


   Nachdem die ZIB-Sendungsverantwortlichen entschieden hatten, daß
die Vorstellung dieser Plakataktion nicht relevant für die ZIB-1 sei
(ein Bericht darüber wurde in der 12 Uhr ZIB gesendet), setzte
Westenthaler vom Generalintendanten abwärts eine Woche lang
Entscheidungsträger (vergeblich) unter Druck, um einen weiteren
Bericht zu erreichen.


   3. Bestelltes Interview zum Kindergeld


   Der FPÖ-Klubchef verlangte, am Tag nach der Präsentation der
SPÖ-Vorschläge zum Kindergeld in einem ZIB 1-Interview Stellung
nehmen zu dürfen. Als er das nicht erreichte, weil die übliche Form
eine Kurzmeldung oder eine Sammelreaktion ist, gab er vor, in einer
Pressekonferenz Stellung nehmen zu wollen. Die "Einladung" entpuppte
sich als Fax an Generalintendant Weis persönlich, in dem Westenthaler
in sein Büro lud. Wie Recherchen ergaben, war kein anderes Medium
eingeladen. Der "Einladung" wurde nicht gefolgt.


   4.Versuch, ZiB 2-Chefredakteur Adrowitzer unter Druck zu setzen


   Am Rande der Live-Diskussion über das ORF-Gesetz flüsterte
Westenthaler Diskussionsleiter Adrowitzer zu, er besitze dessen
Dienstvertrag und werde den später auch noch veröffentlichen.


   B. Bundeskanzler Schüssel, ÖVP


   Im April und im Mai hat der Bundeskanzler (oder seine Sprecher)
ORF-Redakteuren in drei Fällen Manipulation vorgeworfen. Es ging um
Beiträge zu den Themen "Schröder-Plan", "Arbeiten bis 65" und
"EU-Beistandspflicht". In einem Fall sprach Bundeskanzler Schüssel
den Vorwurf der Manipulation am Rande einer öffentlichen
Veranstaltung so aus, daß er auch einer qualifizierten Öffentlichkeit
(Journalistenkollegen) bekannt wurde. In den übrigen Fällen wurde auf
höherer Ebene  interveniert.


   Die ORF-Redakteure beschließen daher folgende Resolution:


   Eines der Grundprinzipien der verfassungsgesetzlich garantierten
Unabhängigkeit der ORF-Berichterstattung ist das Recht, Ereignisse
(Veranstaltungen, Pressekonferenzen, Interviews etc.) einzuschätzen,
zu bewerten und Relevantes - vor allem nach Neuigkeitswert -
auszuwählen. Jeder Versuch, dieses Recht zu beschneiden, muß und wird
auf Widerstand der Redakteure stoßen. Auch deshalb, weil Millionen
Seher der ZIB-Sendungen darauf vertrauen dürfen, daß die notwendige
Auswahl nicht von jenen getroffen wird, die Objekte der
Berichterstattung sind. Umso befremdlicher und beunruhigender
erscheint es den Redakteuren, daß gerade in der Zeit der
Verhandlungen über ein ORF-Gesetz, das unter dem Motto
"Entpolitisierung" verkauft wird, die Begehrlichkeiten aus den
Regierungsparteien wieder einmal zugenommen haben und im Ton deutlich
schärfer geworden sind.


   Den ZIB-Redakteuren ist klar, daß sie mit dieser Stellungnahme
mitten im Parteienstreit über das ORF-Gesetz landen. Um einem
möglichen Kritikpunkt aus FPÖ und ÖVP gleich vorweg zu begegnen: Wir
fordern die SPÖ-Führung auf, sich von der Interventionspraxis -
speziell des Jahres 1999 - zu distanzieren. Die ZIB-Redakteure sind
auch damals an die Öffentlichkeit gegangen (Causa Euroteam). Für die
derzeitige Regierungskoalition kann Fehlverhalten der Vergangenheit
kein Entschuldigungsgrund sein, da sie sich bekanntlich das Motto des
"Neu Regieren" zu eigen gemacht hat.


   Die Resolution wurde einstimmig von der ZIB-Redakteursversammlung
angenommen (anwesend waren 45 Redakteure)


   Rückfragehinweis: Dr. Danielle Spera
                     Zeit im Bild-Redaktion
                     ORF
                     A-1136 Wien
                     Tel: 0043-1-87878-12552
                     e-mail:danielle.spera at orf.at
-- 
Reini Urban
http://xarch.tu-graz.ac.at/home/rurban/




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