[Fluss~Liste] Klimaschonend Kultur veranstalten, Podiumsgespräch mit Josef Schick, Kulturvernetzung NÖ (anmerkungen)

Armin Bardel mail at arminbardel.at
Di Aug 20 00:47:02 CEST 2024


Ökologie & Nachhaltigkeit im FLUSS 
einige gedanken zum Podiumsgespräch "Klimaschonend Kultur veranstalten"

das etwas entgleiste ‚podiums-gespräch’ von vorvorletztem Samstag habe ich mit sehr gemischten gefühlen verfolgt. zu gerne hätte ich mich eingebracht, doch angesichts des etwas unglücklichen verlaufs lieber zurückgehalten. dafür möchte ich jetzt noch ein paar anmerkungen nachreichen: 

angesichts des globalen ausmaßes der katastrophalen umweltmisere ist unser - im positiven wie negativen - äußerst bescheidener beitrag als künstlerInnen wohl zu vernachlässigen. nichtsdestotrotz glaube ich sehr wohl, daß wir dennoch eine große verantwortung haben bzw. eine art vorbildfunktion erfüllen könnten, sollten, müßten. die sollte jedoch nicht in der diskussion enden, wer wohin mit welcher art von verkehrsmittel fährt oder sonstigen lappalien. 

gegen die täglichen grenzkriminellen pendlerströme rund um sämtliche städte & metropolen dieser erde sind wir ein lächerlicher klacks. wir zerbrechen uns schlechten gewissens den schädel, während (weltweit!!!) zigtausende bis -abermillionen & more völlig gedanken-, sinn- & verantwortungslos unterwegs sind. das soll freilich keine rechtfertigung sein, nicht doch & erst recht darüber nachzudenken und entsprechend (möglichst vorbildlich) zu handeln! 

anderseits ist es ohnehin eine illusion, daß wir als künstlerInnen von einer größeren öffentlichkeit überhaupt wahr- & ernst genommen werden. im wahrheit bleiben wir weitgehend unter uns und bewegen uns in einer überschaubaren ziemlich geschlossenen blase, die von außen kaum beachtet wird. 

das argument „strom ist nicht das problem“ halte ich für symptomatisch falsch & gefährlich. sollen noch weitere hunderte windräder z.b. im Weinviertel aufgestellt werden, nur damit noch mehr strom verschwendet wird für überdimensionierte PKWs (stichwort e-SUVs), endlose pendlerstaus oder digitale exzesse, unnötige elektrogeräte, etc.? das ist rein oberflächliche symptombekämpfung, ohne daß sich an den ursachen auch nur irgendetwas ändert, ganz im gegenteil. stattdessen wären sinnvolle = sparsame nutzung & reduzierter verbrauch in sämtlichen bereichen dringendst angebracht! 

auch künstlerInnen sollten sich dessen bewußt sein und nicht in einem völlig falsch verstandenen sinne die freiheit der kunst hemmungslos mißbrauchen. die wahre kunst wäre es, den rahmen der (begrenzten) sinnvollen möglichkeiten ausloten, um damit vorbildlich maximale wirkung zu erzielen. allerdings auch ohne dabei kleinlich militant einander & andere gleich wieder mit penibler prinzipienreiterei kontraproduktiv abzuschrecken. 

ein vielleicht beispielhaftes problem sind die unzähligen massen-kulturveranstaltungen, insbesondere unzählige noch dazu überwiegend mittelmäßige sommertheater, zu denen zigtausende menschen über viele kilometer vorrangig mit dem PKW anreisen. ökologisch gesehen ein absoluter wahnsinn: kulturpendelverkehr par excellence - derselbe wahnsinn quasi in rot! kunst verführt menschen dazu, (un)verhältnismäßig große strecken zurückzulegen, von Mörbisch über Salzburg bis zu den Bregenzer Festspielen oder Biennalen da & dort. oft ohnehin nichts als seichte unterhaltung oder reine prestigesache. ich fürchte das hat mit ernsthaftem interesse an & verständnis von kunst bestenfalls am rande zu tun, wenn überhaupt. 

polemisch gesagt wäre die ökologischste kunstwahrnehmung das fernsehen oder mittlerweile das Internet: man bleibt zu hause und belastet die umwelt nicht durch unnötige wege. 

zugleich sterben durch zunehmende zentralisierung - ob in großstädten oder festivalzentren - kleine lokale umweltschonende kulturinitiativen ebenso aus wie kleinstädte & dörfer, das land insgesamt. ein generelles grundproblem nicht nur der kunst: falsche oder fehlende raumplanung, zentralisierung, abwanderung, etc. – übermäßiger verkehr & mangelhafte raumplanung gehen in fataler weise hand in hand - mit sämtlichen unerfreulichen implikationen. es ist auch ein versagen der politik: was bspw. die NÖ landesregierung in sachen kultur & umwelt durchaus erfreuliches tut, ist vergleichsweise mager gegenüber gravierenden ökologischen verfehlungen - im ökonomischen oder wessen interesse eigentlich? 

als ich vor 30 jahren die ersten male nach Wolkersdorf gefahren bin, war da noch überwiegend freie landschaft. heute fast schon durchgehend bebaute industrie- & geschäftszonen, tendenz ungebremst. entlang der autobahn entstehen laufend neue technologie- & business parks, industrie- & einkaufzentren, umfahrungsstraßen, etc. - wer jammert & heuchelt da noch von renaturierung, rückgängig machen von bodenversiegelung, nachhaltigkeit usw.? 

windräder gab es damals übrigens auch noch keine im Weinviertel. mittlerweile stehen dort hunderte. anstatt (energie) zu sparen wird weiter hemmungslos verschwendet, dafür aber nachhaltig & erneuerbar. lt. aussagen von fachleuten dient ein großer teil der neuen energiequellen ausschließlich der kompensation von zunehmender energieverschwendung & strukturellen fehlplanungen der letzten jahrzehnte! 

der einwurf mit den autorennen war garnicht so schlecht, sofern man ihn weiter denkt: was den ökologischen aspekt betrifft, sind die paar rennautos tatsächlich zu vernachlässigen gegenüber den zigtausenden KfZ der besucherInnen. symbolisch gesehen sind es allerdings doch genau die rasenden dreckschleudern, die unzählige menschen dazu überhaupt erst animieren, sich ebensolche - wenn auch in kleinerem format - zuzulegen, ohne sich einen dreck um die umwelt zu scheren. der rennzirkus trägt damit wohl maßgeblich zur irrationalen autohysterie bei. 

photographie ist an sich schon nicht das umweltfreundlichste medium. analog war es vor allem die chemie, die alles andere als unbedenklich war, mit der digitalisierung des mediums hat sich das nunmehr verschoben, dürfte aber in summe sogar noch schlimmer sein angesichts der ständig nötigen technischen aufrüstung. noch viel mehr bei ‚multimedialen‘ kunstformen, die ausschließlich über computer & bildschirme etc. funktionieren und energie verschlingen. aber strom ist ja angeblich nicht das problem … - schlimmbestenfalls seine erzeugung? 

herr Schick Ist zwar kaum zu wort gekommen, doch das wenige von ihm gesagte klang teil- & ansatzweise noch recht vernünftig, wenn auch nicht gerade weltbewegend aufschlussreich. wäre von einem vertreter des landes wohl auch nicht zu erwarten. im anschließenden persönlichen gespräch war allerdings nicht viel mehr zu erfahren, als wie man sich via seiner website für ein beratungsgespräch anmelden kann … 

resumée: das eine ist, was wir selbst tun können, um es richtig oder besser zu machen und mit gutem beispiel voran zu gehen (ob es irgendjemanden interessiert oder nicht). darüber hinaus könnten wir aber auch explizit kritisch konstruktiv stellung beziehen zu akuten mißständen insbesondere in der region (Weinviertel). nebst manchen äußerst vorbildlichen projekten hat das land NÖ - spätestens seit der jüngsten unseligen koalition - leider auch gewaltige schattenseiten aufzuweisen. anstatt daß wir uns selbst zerfleischen in unserem verzweifelten bemühen, alles richtig zu machen, sollten wir vielleicht beizeiten gebührend fest in die hand beißen, die uns füttert, während sie zugleich selbst zu vieles falsch macht. oder zumindest ganz laut bellen! 

mit nachhaltigen grüßen, 

Armin

p.s.: was das vorab hochgepriesene buffet betrifft - von wegen regional-vegetarisch-veganes angebot - zeugen drei plastikschüsserln mit aufstrichen vom supermarkt nicht grade für tieferes verständnis … 
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