+comunity+ Einreichung für den Call 2019-2021 Kultur Steiermark
Martin Schitter
ms at mur.at
Di Nov 28 14:40:47 CET 2017
On 2017-11-24 15:49, Jogi Hofmüller - mur.at wrote:
> Wir haben uns die Arbeit ein wenig aufgeteilt. Almut schreibt zum
> Arbeitsschwerpunkt "Mobilität, Stadt, Verkehr", Renatn zu "Artificial
> Creativity", Martin zu "Informationskanalisierung" (ist ein neues
> Thema) und ich zu "Blockchain".
damit auch die kollegen, die an unserem realen treffen nicht teilnehmen
können, am entwicklungsprozess und div. verbesserungsvorschlägen
teilnehmen können, hier ein paar kurze anmerkungen und vorschläge zum
gegenwärtigen stand der ausführungen:
I)
mit den zahlenspielereien in der einleitung kann ich nach einiger
anfänglicher skepsis mittlerweile ganz gut leben -- so etwas sollte im
kunstumfeld eigentlich drinnen sein ;)
allerdings stoße ich mich weiterhin an der formulierung:
"...die Zerlegung einer Zahl in ihre Primfaktoren *stellt einen Angriff*
auf kryptographische System *dar*". dagegen muss ich weiter polemisieren.
warum soll ein ein derartiges Zahlenspiel unbedingt gleich als 'angriff'
verstanden werden?
dieser einwand scheint mir deshalb so bedeutsam zu sein, weil die hier
anzutreffenden sache eben nicht ausschließlich nur in dieser einen weise
gedeutet werden kann. jener "angriff", von dem hier die rede ist, ist
keineswegs naturgegeben bzw. teil der sache selbst, sondern vielmehr
etwas, dass erst später und auf basis äußerer zuschreibungen und
konventionen hinzukommt.
ja -- kryptografie und die spezifik des "symbolischen" (= das über den
realen gegenstand [signifikant] hinausweisende) haben sehr viel gemein!
schon dort. wo letzterer begriff seine wurzeln hat, war das sehr oft an
soziale verträge und konventionen verträge geknüpft -- man denke etwa an
die berühmte verwendung eines solchen "key-exchange" in euripides
"medea" (631)
http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Eur.+Med.+613&fromdoc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0114
mir ist das deshalb so wichtig, weil ich es für einen ganz groben
denkfehler halte, derartige indirekte "symbolischen" beziehungen mit
kausalen gesetzmäßigkeiten und und verknüpfungen zu verwechseln!
ich persönlich sehe etwa im ständigen wettrüsten und kräftemessen der
verschlüsselungsmechanismen weit weniger zivilisatorischen fortschitt
als in der akzeptanz bzw. dem allseitigem respekt vor einem
briefgeheimnis, das völlig unabhänig vom verwendeten siegel,
briefumschlag oder transportmechanismus geltung gegeüber dem primitiven
'recht(?) des stärkeren' beansprucht...
gerade im feld der kunst, wo uns die arbeit mit symolischen beziehungen
ständig begleitet, sollten wir oberflächlichem technischen fortschritt
und damit einhergehender eingeengter sicht der dinge ganz bewusst anders
begegnen.
[wobei ich in den kryptografie- bzw. blockchain-abschnitt unbedingt auch
noch jene entwicklungen einbeziehen würde, die nicht mehr nur statische
besitz- bzw. beziehungsverhältniss kryptografisch abgesichert zu
beschreiben, kommunzieren und handzuhaben versuchen, sondern derartige
aufgaben vielmehr im sinne eines *"verteilt ausgeführten programms"*
abwicklen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ethereum#Programming_languages
https://en.wikipedia.org/wiki/Solidity
https://hackernoon.com/how-blockchain-is-an-execution-layer-in-the-cloud-79c91ce38018
]
das bringt mich zu pkt.
II)
den man vielleicht am ehesten an renates ausführungen zur "Artificial
Creativity" festmachen könnte -- wobei gleich vorausgeschicken muss,
dass ich unter eine derartigen überschrift auch nicht viel vernünftiges
schreiben könnte!:)
aber es beschäftigt mich spätestens seit renis betrag hier auf der liste
und dem, was sie konkret als verdeutlichung der AI und
roboter-entwicklungen herausgegriffen hat, welche missverständnisse und
gänzlich unterschiedlichen herangehensweisen und orientierungen uns hier
begegnen.
ich hab mir darauf selbst noch keine wirkliche antwort zusammengereimt,
mich in der suche danach zumindest doch wieder an einen ansatz erinnert,
der mich schon sehr lange begleitet.
schon als teenager, als ich der HTL und meiner überschwänglichen
begeisterung für die technik das erste mal den rücken zu kehren versucht
habe, hat mich joseph weizenbaums büchlein "die macht der computer und
die ohnmacht der vernunft" begleitet.
weizenbaums entsprechende kritik ist in vielen dingen interessant. eine
ganz einfache charakteristik der sie recht durchgängig folgt, besteht
darin, dass weizenbaum weniger die möglichkeiten entsprechender machinen
und techniken selbst behandelt oder kritisiert, sondern vielmehr das,
wie mitmenschen und kollegen darüber denken und entsprechenden
technologischen fortschritt reflektieren und praktisch handhaben.
dieser strategie, einen schritt abstand zu gewinnen und vielmehr unser
eigenes tun und denken als computer-experten zu analysieren und der
kritik auszusetzten, statt sich in spekulationen über die möglichkeiten
und konsequenzen entsprechender technik selbst bzw. all den damit
wunschvorstellungen und projektionen zu verlieren, hat einiges für sich.
es bleibt in diesem sinne nur daran zu erinnen, was er schon in seinem
ersten größeren aufsatz zu diesen fragen 1972 erklärt hat:
"Der meiste Schaden, den der Computer potentiell zur Folge haben könnte,
hängt weniger davon ab, was der Computer tatsächlich machen kann oder
nicht kann, als vielmehr von den Eigenschaften, die das Publikum dem
Computer zuschreibt. Der Nichtfachmann hat überhaupt keine andere Wahl,
als dem Computer die Eigenschaften zuzuordnen, die durch die von der
Presse verstärkte Propaganda der Computergemeinschaft zu ihm dringen.
Daher hat der Informatiker die enorme Verantwortung, in seinen
Ansprüchen bescheiden zu sein."
(http://www.zeit.de/1972/03/alptraum-computer/komplettansicht)
so -- damit belasse ich es jetzt in dieser ganz wilden skizzenhaften
form, um zum realen meeting in der leitnergassse zu eilen... ;)
liebe grüße
martin
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