+comunity+ kiz-e-info 82: Inside Deep Throat
ngri at eunet.at
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Mo Jan 16 17:26:21 CET 2006
Ab 20. 1. 2006 - Kinostart in Österreich
Inside Deep Throat
1972. Auf dem Höhepunkt der sexuellen Revolution kommt in den USA mit dem
spektakulären Pornofilm "Deep Throat" einer der größten Kassenerfolge
aller Zeiten in die Kinos. Ein Film, der weit mehr auslöste als
schlüpfrige Neugier und der bewirkte, dass der Kauf einer Kinokarte für
eine ganze Generation zu einem politischen und gesellschaftlichen
Statement wurde. Mitten hinein in die sexuelle Befreiungs- und
Bürgerrechtsbewegung platzte der Film wie ein Bombe und löste eine bis
dahin ungesehene politische und gesellschaftliche Lawine aus, die die
Nation teilte und deren kulturelle Auswirkungen bis heute spürbar sind.
Mit einem Produktionsbudget von nur 25.000 Dollar spielte der Film
weltweit 600 Millionen Dollar ein und ist damit mit Abstand der
erfolgreichste Independent-Film, der jemals gedreht wurde.
Heute, mehr als dreißig Jahre später, beleuchtet INSIDE DEEP THROAT die
anhaltenden gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen dieses
Meilensteins der Pop-Kultur. Der Film wirft gleichzeitig einen
schonungslosen Blick auf den halbseidenen Glitter der Pornowelt sowie auch
auf die zerstörerischen Auswirkungen von "Deep Throat" und die
schmerzlichen menschlichen Konsequenzen und Schicksale der Protagonisten.
Neben den beiden damaligen Hauptdarstellern Linda Lovelace und Harry Reems
kommen zahlreiche Größen und Meinungsmacher wie der Star-Anwalt und O.J.
Simpson-Verteidiger Alan Dershowitz, Larry Flynt, Camille Paglia, Warren
Beatty, Wes Craven, Xaviera Hollander, Annie Sprinkle Norman Mailer, Gore
Vidal, Erica Jong, Playboy-Chef Hugh Hefner u.v.a.m. zu Wort. Die
vielschichtigen, oft auch geistreichen und witzigen Statements entfachen
die brisante kulturelle Auseinandersetzung in den USA um künstlerische
Freiheit und konservative moralische Werte aufs Neue und zeigen, wie wenig
sich in Sachen politischer Zensur seit Nixon verändert hat.
INSIDE DEEP THROAT wurde von Oscar®-Preisträger Brian Grazer ("8 Mile",
"Beautiful Mind") produziert. Die Regisseure Fenton Bailey und Randy
Barbato ("Monica in Black and White", "The Eyes of Tammy Faye") machen
durch ihren schonungslosen, präzisen und witzigen Blick auf das moderne
Leben zwischen Politik und Zeitgeist INSIDE DEEP THROAT zu einem
außergewöhnlichen Kinoerlebnis.
http://www.inside-special.film.de
Mit: Gerard Damiano, Harry Reems, Alan Dershowitz, Norman Mailer, Gore
Vidal, Erica Jong, John Waters, Camille Paglia, Ron Wertheim, Hugh Hefner,
Larry Flynt.
Regie, Drehbuch, Produktion: Fenton Bailey, Randy Barbato. Kamera: David
Kempner, Teodoro Maniaci. Musik: David Benjamin Steinberg.
USA 2005. 90 min. 35 mm. 1,85. Dolby Digital SRD. Dt. Fassung - voice
over. Ab 16.
"So genannte Reality-Shows demonstrieren jeden Tag, wie sich menschliche
Wesen in verschiedenen, gewöhnlich künstlichen Situationen verhalten,
daher verwende ich das Wort 'Realität' nicht in Bezug auf einen
Dokumentarfilm. Dokumentarfilme bekunden vielmehr die menschlichen
Erfahrungen. Auch wenn ich persönlich nicht daran glaube, dass filmische
Dokumentationen notwendigerweise unsere Meinung über etwas verändern
können, so zeigen sie doch eine oftmals abweichende Position. Daher glaube
ich, dass das Publikum mittlerweile weitaus aufgeschlossener gegenüber
Dokumentarfilmen ist als in früheren Jahren. Die Suche nach Wahrheit in
einem Universum, in dem uns Lügen als eine Art Evangelium verkauft werden,
ist eine anstrengende, aber bedeutsame Aufgabe." (Koproduzentin Sheila
Nevins)
"Unsere Dokumentation nimmt den Zuschauer mit auf die verschiedenen Pfade
einer juristischen und kulturellen Reise, um die Wichtigkeit des Ersten
Verfassungszusatzes vor dem Hintergrund von 'Deep Throat'
herauszuarbeiten. Die Story ist nicht nur stringent, sondern hat auch eine
große Bedeutung für die heutige Generation als Bestandteil unserer
allgemeinen Zivilisation sowie auch in den individuellen Ausprägungen.
Letztlich ist unser Film eine warnende Geschichte." (Produzent Brian
Grazer)
"Wir wollen mit unserem Film diese besondere und verschollene
Filmgeschichte ans Tageslicht bringen und gleichzeitig den Zuschauern
jenen Teil unseres kulturgeschichtlichen Erbes vorstellen, der zuletzt ein
wenig beiseite gerückt zu sein scheint. Genau diesen Part wollen wir
wieder ins rechte Licht rücken." (Co-Regisseur Fenton Bailey)
"Unser Film handelt einerseits von dem Film 'Deep Throat', und
andererseits handelt er auch wieder nicht über ihn. Vielmehr geht es hier
um eine sexuell gestörte Nation. Vielleicht auch darüber, wie Politiker
korrumpierbar sind. Ein Teil des immer noch gültigen Nachlasses von 'Deep
Throat' ist, dass er den Ausschlag für jene Art der Versachlichung von
Sexualität war, die auch noch gültig ist." (Regisseur Randy Barbato)
Interview mit den Regisseuren Fenton Bailey und Randy Barbato (Auswahl)
Was haltet Ihr von Linda Lovelace, der Hauptdarstellerin in "Deep Throat",
die im Jahr 2002 an den Folgen eines Autounfalls gestorben ist?
Randy Barbato: Linda Lovelace ist ein echtes Rätsel. Sie war ein ganz gewöhnliches
Mädchen mit gewöhnlichen Träumen vom Leben, das sich plötzlich selbst in
einer außergewöhnlichen Lage wiederfand. Und das hat ihr Leben von Grund
auf verändert. Nicht wegen ihrer kunstfertigen Fellatio, sondern wegen
ihres Aufstiegs in die Welt der Reichen und Berühmten. Ich glaube, dass
sie irgendwie süchtig wurde auf diese besondere Berühmtheit, was
schließlich den Rest ihres Lebens nachhaltig beeinflusst hat. Und in dem
Moment, in dem sie berühmt wurde, hat sie jede Möglichkeit, etwas über
ihren wirklichen Charakter zu erfahren, zunichte gemacht.
Was passierte mit ihr?
Fenton Bailey: Linda Lovelace wurde gleichermaßen berühmt für ihr Normalsein und für ihre
enorme "Kunstfertigkeit"! Sie war durchschnittlich, aber das auf eine sehr
charismatische Art. Im Jahr 1972, als "Deep Throat" in die Kinos kam,
wurde auch die Loud-Familie im Fernsehen gezeigt. Das war der Beginn, als
in den Medien plötzlich gewöhnliche Menschen zu Stars wurden. Linda
Lovelace war einer dieser ersten Prominenten.
Randy Barbato: Ich denke bei Linda Lovelace an jemanden, der niemals die Möglichkeit
hatte, sich selbst zu finden. Bevor sie dies tun konnte, hatten das andere
für sie besorgt, die sie daher auch manipulieren konnten. Ihr Ehemann
Chuck Traynor hatte das getan, und später waren es die Feministinnen. Sie
wollte allen diesen Menschen gefallen, aber wie sie sich selbst aufwerten
konnte, wusste sie nicht. Somit ähnelte sie einem Reh, das vom
Scheinwerferlicht geblendet mitten auf der Straße stehen bleibt.
Fenton Bailey: Nachdem sie berühmt war, konnte sie nicht mehr aufhören, berühmt um ihrer
selbst willen zu sein. Nach dem Erfolg in "Deep Throat" präsentierte sie
ihr ganz persönliches Motto, das ihr den Durchbruch in die Welt des
Mainstream-Kinos ermöglichen sollte: "Linda Lovelace for President". Aber
das brachte keineswegs den notwendigen Erfolg, um in Hollywood Fuß zu
fassen. Und andere Möglichkeiten gab es nicht. Also verschwand sie für
einige Zeit von der Bildfläche, um später in der Ära einer Oprah Winfrey
wieder aufzutauchen als Pornostar der ersten Stunde, der seine Stimme
gegen die Pornografie erhebt und seine eigene erschütternde Geschichte
erzählt.
Glaubt ihr, dass Linda Lovelace zum Pornofilmen gezwungen wurde?
Fenton Bailey: Ich glaube ihr, denn sie stand damals unter dem Einfluss dieses Dr.
Mabuse. Es war der klassische Fall von Missbrauch in den eigenen vier
Wänden, allerdings zu einer Zeit, als die psychologischen Gründe dafür
einer Allgemeinheit noch nicht so bekannt waren. Aber nachdem sie mit
ihrer Autobiografie die Tour durch sämtliche Talkshows beendet hatte,
verloren die Leute erneut das Interesse.
Randy Barbato: Am Schluss hatte das Mädchen aus der Nachbarschaft ihre Rolle als Nachbars
Großmutter gefunden. Sie verbrachte ihre Zeit mit den Enkelkindern, mit
ihren Katzen und dekorierte das Haus für Halloween und Weihnachten.
Fenton Bailey: Sie war meiner Meinung nach geblendet durch die über sie gekommene
plötzliche Bekanntheit und konnte diesen Zustand nicht so verarbeiten, wie
es heute der Fall wäre. Heute würden wir doch lediglich sagen: Klar ist
das ein Pornostar, etwa bei Jenna Jamison. Sie schreibt ein Buch, spielt
in einigen Kinofilmen mit, bringt ein Parfüm heraus und ist der Star in
ihrer eigenen Reality-Show. Oder nicht zu vergessen eine Paris Hilton.
Heute scheint jeder irgendwie mit diesem Milieu in Verbindung zu stehen.
Was ist eigentlich über den "Deep Throat"-Regisseur Gerard Damiano zu
sagen?
Fenton Bailey: Der hat sich selbst als neuer Spielberg gesehen und dabei gehofft, dass er
genügend Geld für seine Filme bekommt, um seine Produktionen aufzuwerten
und somit größere und bessere Filme machen zu können. "Deep Throat" ist
für 25.000 Dollar gedreht worden, was auch damals nicht viel Geld
bedeutete (und das vor dem Hintergrund einer praktisch nicht vorhandenen
Independent-Filmindustrie). Während man in technischer Hinsicht über den
Film streiten kann, stellt er auf der anderen Seite eine bemerkenswerte
Leistung dar. Aber weil Damiano niemals Geld für seine Filme gesehen hat,
war er nicht in der Lage, seinen Traum von einem respektablen
Mainstream-Filmemacher in die Tat umzusetzen.
Randy Barbato: Und dass, obwohl er im Anschluss an "Deep Throat" einen der bedeutendsten
Pornos aller Zeiten geschaffen hat, "The Devil in Miss Jones". Aber auch
dafür hat er kein Geld gesehen. Er beendete seine Karriere als Caddie in
Palm Springs, ohne je Geld für seine eigenen Filme zu erhalten.
Fenton Bailey: Damiano sah sich selbst als Autorenfilmer, und das geächtete Thema Sex
war seine Methode, sich künstlerisch auszudrücken. Auch deswegen, weil es
damals kein Independent-Business gab und Hollywood für Außenseiter eine
geschlossene Gesellschaft bedeutete. Daher war "Deep Throat" auch ein
Schlüsselwerk für die spätere Independent-Industrie, da der Film mit einem
lausigen Budget und mit einer Schwarzarbeiter-Crew gedreht wurde, aber
vielleicht zum ersten Mal aufzeigte, dass es möglich ist, Filme mit einem
schmalen Budget zu drehen, die auch außerhalb des etablierten
Studiosystems Geld einspielen können. Obwohl diese Art des Filmemachens,
lange Zeit vor Institutionen wie Sundance oder eines heutigen
funktionierenden Indie-Business, von der Mafia kontrolliert wurde.
Was bedeutete diese Kontrolle durch das organisierte Verbrechen?
Fenton Bailey: Die Mafia produzierte und der Mafia gehörte "Deep Throat". Aber Lou
Peraino, der Produzent, war weitaus mehr als nur ein Gangster. Er hatte
eine Vision. Mit dem Geld, das er durch "Deep Throat" verdient hatte,
gründete er Bryanston Pictures, eine ganz legale Produktions- und
Vertriebsfirma, die sich rasch einen Namen machte mit Genre-Hits wie "Der
Mann mit der Todeskralle" ("Enter the Dragon", 1973), "Blutgericht in
Texas" ("The Texas Chainsaw Massacre", 1974), John Carpenters "Dark Star"
(1973/74) oder die Andy-Warhol-Filme "Dracula" und "Frankenstein" (beide
1973). Martial Arts, Horror, Science Fiction und Arthouse - der
Quasi-Vorläufer von Miramax, Bryanston, hat alle diese Genres bedient. Die
Leute meinten, dass Bryanston seine Schauspieler ausbeutete, seine Partner
betrog und die Gesellschafter vergraulte, aber das passierte schließlich
jeden Tag auch in Hollywood und wird das FBI nicht sonderlich interessiert
haben. Aber zu guter Letzt ging Bryanston bankrott. Was auch immer man von
den Perainos halten mochte, sie waren einfach nicht in der Lage, auf der
einen Seite Bryanston am Laufen zu halten und auf der anderen Seite im
Gefolge von "Deep Throat" an Gerichtsprozessen in Memphis und überall in
den Staaten teilzunehmen. Das hat sie ganz schön fertig gemacht.
Leider konnte dieser Aspekt nicht in unseren Dokumentarfilm eingearbeitet
werden, da keiner - nicht ein einziger - uns das vor laufender Kamera
hätte erzählen wollen. Alle, die früher bei Bryanston arbeiteten und es
jetzt in Hollywood tun (und das sind nicht wenige), wollten entweder nicht
an ihre Verbindung zur Mafia erinnert werden oder haben immer noch viel zu
viel Angst, um zu reden. Und sogar Lou Perainos noch lebende Angehörige
wollten keineswegs in der Öffentlichkeit sprechen.
Wie lautet die Botschaft von "Deep Throat"?
Fenton Bailey: Oberflächlich betrachtet erscheint "Deep Throat" als ein Film über das
Schwanzlutschen, was eine sehr chauvinistische Botschaft darstellt. Da ist
diese einfache Person namens Linda Lovelace die nur eines will: abhauen
und Spaß haben, das Mantra der Siebziger Jahre. Sie begibt sich auf eine
Reise, bei der sie ihre sexuelle Erfüllung findet, als sie die Technik des
"tiefen Rachens" entdeckt.
Die eigentliche Botschaft des Films ist sogar noch einfacher, noch
radikaler, und kann damit den so genannte Kampf der Geschlechter - der
oftmals die Diskussion über Sexualität bestimmt - gekonnt überwinden. Denn
in "Deep Throat" geht es nicht bloß um den oralen Verkehr. Vielmehr steht
im Vordergrund ein Mensch auf der Suche nach sexueller Erfüllung. Es gibt
in unserer Gesellschaftsordnung dahingehend moralische Übereinkünfte, was
hinsichtlich sexueller und romantischer Vorstellungen tragbar ist. Die
Quintessenz bei "Deep Throat" lautet demnach: Jeder soll nach seiner
eigenen Fasson selig werden.
Und weil ihr Weg so ungemein ungewöhnlich ist, liegt hier die
ausdrückliche Botschaft des Films: Lindas Suche nach Erfüllung steht
stellvertretend für die Suche eines jeden Mannes und einer jeden Frau. Das
Recht, diese Suche sowie diese Freuden und Freiheiten in Angriff zu nehmen
ist das, was Leben wirklich ausmacht - oder ausmachen sollte. "Deep
Throat" erklärt uns, dass dieser Schritt nichts Falsches darstellt. Dass
der Sex in allen seinen unzähligen Varianten nicht nur goldrichtig,
sondern auch prächtig ist und sich daher niemand dafür zu schämen braucht.
Wie könnte daher in einem Satz eine Zusammenfassung lauten?
Randy Barbato: Was ist so lächerlich daran, Frieden, Liebe und Verständnis zu suchen?
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