+comunity+ Fwd: Fw: FURCHE-Interview mit GALTUNG

Sandra Abrams sandra at mur.at
Mi Sep 19 13:03:37 CEST 2001



>From: <mailto:pax.vienna at aon.at>Friedensbüro Wien
>To: <mailto:paulafayssal at chello.at>Paula Abrams
>Sent: Tuesday, September 18, 2001 4:27 PM
>Subject: Fw: FURCHE-Interview mit GALTUNG
>
>Vielleicht von Interesse für euch, der Text unten gibt seine Einschätzung 
>wieder.

mehr info zu johan galtung: 
http://www.transnational.org/tff/people/j_galtung.html

und noch mehr info: http://www.transcend.org/

>
>Grüße
>Sandra
>
>
>-----Ursprüngliche Nachricht-----
>Von: <mailto:krims at aon.at>Adalbert KRIMS
>An: <mailto:Undisclosed-Recipient:;>Undisclosed-Recipient:;
>Gesendet: Dienstag, 18. September 2001 11:56
>Betreff: FURCHE-Interview mit GALTUNG
>
>DIE FURCHE, 20. 9. 01
>
>FURCHE-INTERVIEW mit JOHAN GALTUNG
>
>Von Peter Schmidt
>
>FURCHE.: Ihre Statements zu den Anschlaegen in den USA sind auf ziemliche 
>Kritik gestossen...
>
>GALTUNG: Man hat mir vorgeworfen, ich rechtfertige den Terrorangriff auf 
>New York und Washington. Davon kann keine Rede sein. Mein Ansatz ist zu 
>erklaeren, wieso gerade die USA Ziel solcher Attacken sind - ohne dass ich 
>solche Terrorakte billige! Es fuehlen nicht nur die Menschen in den USA 
>Angst und Hass. Auch in den von den Gegenschlaegen bedrohten Laendern, in 
>Afghanistan, Pakistan, dem Sudan, im Irak, wo die meisten Menschen in 
>Armut und Repression leben, herrscht jetzt grosse Furcht vor einem Schlag 
>des militaerisch uebermaechtigen Gegners USA.
>
>F.:Wie wird das weitere Szenario aussehen?
>
>G.: Sehr wahrscheinlich sind massive US-Militaerschlaege, auch Angriffe 
>mit Bodentruppen. Derzeit gibt es in den Medien und - verstaendlicherweise 
>- in der Bevoelkerung dafuer eine enorme Zustimmung und Rueckendeckung - 
>nicht nur in den USA. Nach diesem unvorstellbaren Grauen verlangen die 
>Menschen, dass etwas geschehen muss. Aber wenn Aussenminister Colin Powell 
>verspricht: "We will crash this network" - "Wir werden dieses Netzwerk 
>zertreten", dann ist dem entgegen zu halten: Es ist unmoeglich, dieses auf 
>der ganzen Welt verstreute Netzwerk zu zerstoeren. Da helfen Raketen und 
>Bomben nichts! Dann werden ganze Laender bombardiert und es kommt nur zur 
>Eskalation der Vergeltungsspirale wie in Israel! Der oeffentliche Druck 
>ist so gross, dass man nicht ausschliessen kann, dass US-Geheimdienste 
>Beweismittel manipulieren, um den Feind zu personalisieren, zu 
>identifizieren. Da muessen die europaeischen Allierten in der Nato 
>aufpassen! Aber welcher Politiker wird den Mut zum Widerspruch haben, wenn 
>so vehement Buendnistreue angesagt ist, wer wird Bedenken aeussern gegen 
>die USA und gegen die oeffentliche Meinung?
>
>Aber gibt es denn ueberhaupt eine Alternative zur Vergeltung. Wuerde das 
>nicht Ermunterung fuer weiteren Terror bedeuten?
>
>G.: Der Anschlag selbst - den ich missbillige und verurteile - sollte 
>schon auch als Vergeltung fuer die US-Politik des "big stick", Vergeltung 
>fuer die "Neue Weltordnung", die so viel Armut schafft, gesehen werden. 
>Diese Armut ist einer der Wurzeln des islamischen Fundamentalismus! Die 
>Taeter sollen ihrer gerechten Strafe zugefuehrt werden, aber im Moment 
>sieht es nach wahllosen ueberharten Zuschlagen gegen vermeintliche 
>Schurkenstaaten aus. Das ist das sicherste Mittel, um weitere Anschlaege 
>zu provozieren. Verzicht auf Rache, auf Vergeltung - kann das zu weiterer 
>Gewalt ermuntern? Versoehnung heisst, die Verletzungen von Koerper und 
>Seele zu heilen und die zerbrochenen Beziehungen aufzuarbeiten. 
>Aufarbeiten heisst aber auch fuer die USA, sich ihrer Geschichte und damit 
>auch der Vorgeschichte dieser Anschlaege zu stellen.
>
>F.: Ist das bisher nicht geschehen?
>
>G.: Bisher kaum. Nehmen sie den Krieg in Vietnam mit seinen zwei Millionen 
>toten Vietnamesen - auch die US-Army hatte schwere Verluste und 
>letztendlich den Krieg verloren. Aber in den Schulbuechern der USA hat man 
>vor sechs Jahren die Bilder und Berichte der Graeuel: Napalmverbrannte 
>Kinder, das Massaker von Mi Lai, Erschiessungen und anderes einfach 
>herausgenommen. Untersuchungen an US - Universitaeten zeigen, dass heute 
>ueber den Vietnamkrieg grenzenloses Unwissen herrscht: Ein Viertel der 
>Studenten meinten, der Vietnamkrieg haette zwischen Nord- und Suedvietnam 
>oder Korea stattgefunden! Und nach dem Bombardement des Irak 1991 sagte 
>Praesident Bush senior: "We have kicked out the Vietnam syndron for 
>ever...", das Vietnam-Syndrom sei also fuer immer ueberwunden.
>
>F.: Das steht aber nicht mit der Vorgeschichte der schrecklichen 
>Terroranschlaege der Vorwoche in Beziehung...
>
>G.: Die USA haben 228 Militaerinterventionen ohne Mandat der UNO 
>durchgefuehrt. Mit Hilfe des CIA sind von 1949 bis 1987 an die sieben 
>Millionen Menschen umgebracht worden. Das waren zumeist kleine Leute in 
>sogenannte "linken" Organisationen in Indonesien, auf den Phillipinen, im 
>Iran des Schah, im Sudan unter Numeiri, im NATO-Land Tuerkei, in Latein- 
>und Zentralamerika, in Guatemala, El Salvador... Schon 1992 hat US- 
>General Rock festgestellt: In Bezug auf Invasionen hat die USA bereits das 
>Roemische Weltreich uebertroffen!
>
>Auf diesem Hintergrund ist es verstaendlich, warum ich schon seit ueber 
>zehn Jahren mit solchen Anschlaegen rechne. Ja, noch schlimmere Szenarien 
>kann man sich vorstellen! Bedenken Sie doch, wie oft die USA zur Waffe 
>gegriffen haben: 1983 im Libanon; 1986 beim Bombenangriff auf Libyen; 1989 
>die Panama - Invasion, wo man von den tausenden Toten nichts gehoert hat. 
>Denken Sie an den Irak, wo von 1991 bis heute die Bomben und das Embargo 
>¸ueber eine halbe Million Tote - grossteils Kinder - fordert... Dass die 
>Medien nur wenig ueber diese und die Opfer der Angriffe auf Serbien und 
>den Kosovo berichten, laesst sich leicht erklaeren: Grosse PR -Agenturen 
>in den USA wie "Ruder Finn Global Affairs" oder "Hill and Knowlton" 
>steuern und beeinflussen die Berichterstatung in den USA. Dazu ein 
>Beispiel aus dem Golfkrieg: Sicher haben die Irakis in Kuweit sehr uebel 
>gehaust und Greuel begangen, aber "Hill and Knowlton" haben darueberhinaus 
>noch schlimme Luegen sehr publikumswirksam ueber den Irak verbreitet, etwa 
>dass die Irakis im Spital in Kuweit City Brutkasten-Babies ermordet 
>haetten. So werden die Schurkenstaaten verteufelt und die "good guys" 
>positiv hervorgehoben, ihre Untaten verschwiegen.
>
>F.: Ist das in der Demokratie USA moeglich?
>
>G.: Es gibt natuerlich auch viele kritische Publikationen - insoweit 
>funktioniert die US-Demokratie. Die Analyse von Noam Chomsky ueber die 
>Dominanz des militaerisch-industriellen Komplexes ist ein Beispiel dafuer. 
>Da wird herausgearbeitet, welchen politischen Einfluss das Streben nach 
>Macht und Profit in den USA hat. Ich moechte aber noch einen Faktor zu 
>Chomskys Analyse einbringen : das Sendungsbewusstsein der USA. Diese drei 
>Faktoren bilden diese aussergewoehnliche Machtausuebung der USA.
>
>F.: Aber das rechtfertigt doch nicht so eine Gewaltausuebung!
>
>G.: Diese Gewaltausuebung wird ja von vielen Staaten gutgeheissen, von 
>Staaten, die dasselbe wollen, aber nicht die Macht dazu haben - und von 
>Staaten, die vor den USA Angst haben, wie jetzt viele arabische Staaten 
>und Pakistan zum Beispiel. Die Bevoelkerung reagiert mit Wut und Hass auf 
>das, was sie als Folgen der US-Hegemonie zurechnen.. Nehmen sie nur di 
>-zigtausend Opfer von Unterernaehrung, Krankheit, fehlender sozialer 
>Absicherung. Wieviel Hass und Wut hat sich da gegen die "Neue Weltordnung" 
>zusammenmgeballt, gegen das Finanzsystem, die Spekulation, die im Schutz 
>der militaerischen Supermacht USA agieren! Die Attentaeter haben ja eine 
>eine Botschaft hinterlassen. Die beiden World-Trade-Center-Tuerme stehen 
>fuer Welthandel, Investmentfirmen, Banken, das Pentagon fuer die 
>militaerische Supermacht USA.
>
>F .: Welches Szenario fuer eine friedliche Loesung schwebt Ihnen vor?
>
>G.:Viele Gruppen in den USA und bei uns arbeiten fuer Versoehnung, 
>Gerechtigkeit, Einsicht, sind aber in den Medien kaum praesent, werden oft 
>denunziert als Verraeter, Chaoten, Narren. Sie haben aber trotzdem grosse 
>Erfolge gehabt: Denken sie an Vietnam: Veteranen trafen sich in Hanoi, 
>haben Hilfslieferungen organisiert, sich entschuldigt, ein ehemaliger in 
>Gefangenschaft geratener US-Bomberpilot ist US-Botschafter in Vietnam. 
>Denken sie an die Friedensbewegung gegen die Nuklearaufruestung 1983/84, 
>vor allen an die vielen kirchlichen Gruppen. Der Bischof von Auckland hat 
>damals ein grossartiges Buch geschrieben "Ueber die Natur Gottes": "Gott 
>hat die Schoepfung nicht geschaffen, damit sie vom Menschen vernichtet 
>wird - das ist nicht Gottes Wille!" schreibt er. Ich hoffe, dass solche 
>Bewegungen wieder staerker werden - derzeit aber ist der Schmerz ueber die 
>Opfer, die Wut ueber diesen Terrors noch zu gross.
>
>Wenn auch die Regierungen der europaeischen NATO - Staaten einig mit den 
>USA sind - vielleicht werden sie bald das "falsche Volk" haben, das da 
>nicht mehr mitspielt und sagt: "Diese Spirale der Rache ist doch keine 
>Loesung!" Vielleicht kommt die Wende auch in den USA, vielleicht werden 
>bald Fragen gestellt wie: Warum waren und sind wir direkt oder indirekt an 
>fast allen Kriegen beteiligt? Und: Was machen wir falsch?
-------------- nächster Teil --------------
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