+comunity+ symposion zensur

f, ft at mur.at
Fr Jan 12 22:30:58 CET 2001


schoene gruesse
f,

Der Preis der Freiheit
Zur politischen Ökonomie von Zensur

Ein Symposium
Secession, Wien, 23. - 25. Februar 2001

Unmittelbarer Anlass für diese Veranstaltung ist die nun
höchstgerichtlich zu Gunsten des ehemaligen FPÖ-Generalsekretärs Walter
Meischberger entschiedene Klage gegen die Secession wegen eines Bildes
von Otto Mühl, auf welchem er sich - neben anderen Personen - in
sexualisierter Pose ausgestellt sah. Das Bild war in der
Jubliäumsausstellung »Das Jahrhundert der künstlerischen Freiheit« 1998
gezeigt worden und damals vom »Pornojäger« Martin Humer mit Farbe
überschüttet (»vernitscht«) worden. Obwohl es zuletzt nur mehr um
Verfahrensfragen ging, ist damit auch der Grundsatz Persönlichkeitsrecht
vor Freiheit der Kunst bestätigt worden. Abgesehen von der juristischen
Seite der Argumentation - die insofern problematisch ist, da sie auf
jede Form von Satire und Polemik anwendbar ist - geht es aber im
derzeitigen politischen Kontext um eine gezielte
Einschüchterungspolitik, die mit juristischen und ökonomischen Mitteln
zu erreichen versucht, was mit direkter Zensur (noch) nicht machbar ist:
die Einschränkung von Öffentlichkeit und das Abstecken von Feldern der
politischen Auseinandersetzung um damit eine Diskurshegemonie von rechts
zu erringen.

Die politische Regulation von Öffentlichkeit ist allerdings nur mehr
sehr schwer mit einer eindeutigen moralischen Bestimmung des
Begriffspaars »böse« Zensur versus »gute« Freiheit der Meinungsäußerung
zu fassen. Gerade die Auseinandersetzungen um Pornografie und
rechtsradikale Agitation im Internet haben deutlich gemacht, wie sehr
sich die politischen »Vorzeichen« von Freiheit und Unterdrückung
geändert haben und dass diese Begriffe nicht unabhängig von politischen
Inhalten zu diskutieren sind. So sind z.B. die großen revisionistischen
Debatten der letzten beiden Jahrzehnte, die die Neue Rechte losgetreten
hatte, stets gegen eine »Zensur« durch eine angeblich linksliberale,
68er dominierte Öffentlichkeit vorgetragen worden. Im Namen welcher
Freiheit und Wahrheit geht es also gegen welche Unterdrückung? 
Nicht nur das Erbe der »sexuellen Befreiung« hat zwiespältige Gefühle
hinterlassen. Was bedeutet die Freiheit der bezüglich ihrer Inhalte
indifferenten bis politisch konfusen elektronischen Netzwerke? Wie
hängen zunehmende ökonomische Deregulierung und politische Regulierung,
d.h. Gängelung zusammen? Worin besteht generell der Unterschied zwischen
Sprechen und Handeln, zwischen einem Bild und einer Tat? Wie lassen sich
Sprechpositionen, d.h. der jeweilige gesellschaftliche Ort einer
Aussage, in Rechnung stellen? Und was taugt die künstlerische Freiheit
auch noch nach »ihrem« Jahrhundert?

Es herrscht also enormer Diskussionsbedarf. Die Veranstaltung will nicht
in ein empörtes Zensur-Geschrei einstimmen, vielmehr die Verwicklungen
und Zusammenhänge zwischen Freiheitsansprüchen und Verbotshandlungen,
von Wahrheitsregimen und Sichtbarkeitspolitiken im Kontext der zügigen
»Erosion« ehemals als links codierter Begrifflichkeiten ansprechen. So
wie sich die Auschwitzleugner und Kinderpornografen auf »Freiheit«
berufen, bezieht sich die rassistische Argumentation heute mehr auf
»Kultur« als auf Biologie. Kulturelle Praktiken und ästhetischer
Widerstand erleben sich demgegenüber vielfach geschichts- und
begriffslos. Um praktische Handlungsoptionen jenseits moralischer
Empörung zu reflektieren und voranzutreiben wird am ersten Abend des
Symposiums der konkrete Anlass im Kontext rechter Kulturkampf-Politiken
rekonstruiert, am 2. Tag soll es darum gehen, wie Kultur in den
nationalen Strategien der unterschiedlichen politischen Lager
funktionalisiert wird, und welche Schwierigkeiten sich daraus in den
konkreten Verhältnissen zwischen Kunst und Staat ergeben. Am 3. Tag
werden die Positionierungen von Individuen und Gruppen (wie z.B.
Künsterlnnen) zwischen bzw. jenseits von Boykott und Normalisierung nach
einem Jahr Schwarz-Blau zur Debatte stehen.





Mehr Informationen über die Mailingliste comunity