**H-I-T** Claudia Luchetti │ Demokratie und Utopie │ 7.12.2022 │ HS 06.03

Giesen, Vera (vera.giesen@uni-graz.at) vera.giesen at uni-graz.at
Mi Nov 30 11:40:08 CET 2022


Die Arbeitsgemeinschaft „Demokratieforschung“ der Geisteswissenschaftlichen Fakultät an der Karl-Franzens-Universität Graz möchte auf den untenstehenden Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe „Demokratie als Herausforderung“ hinweisen:

Demokratie und Utopie
Herrschaft des Volkes und ideale Selbstwahrnehmung in Perikles' Gefallenenrede nach Thukydides
Claudia Luchetti (Institut für Antike)

Zeit: 7.12.2022, 19.00 bis 20.30 Uhr
Ort: HS 06.03, Universitätsplatz 6, 8010 Graz

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Ausrufung der Republik am Grazer Freiheitsplatz (Franzensplatz) am 12. November 1938 (UMJ)

Die Demokratie als Regierungsform und das Konzept der Demokratie selbst sind keine moderne Erfindung, sondern haben ihren Ursprung im antiken Griechenland zwischen dem 7. und 5. Jhd. v. Chr. Obwohl sie in der Gesetzgebungstätigkeit Solons (638 v. Chr.) und insbesondere in seiner politisch-poetisch-philosophischen Konzeption der eunomia (gute Regierung) einen illustren Vorläufer hat, und obwohl sie später sowohl in der berühmten Verfassungsdebatte von Herodot (484 v. Chr.), sowie in den Tragödien des Aischylos (525 v. Chr.), insbesondere in den Schutzflehenden, zitiert als auch diskutiert wurde, und wenn es einen Text gibt, der als Manifest, ja sogar als ʽoffizielleʼ Geburtsurkunde der Demokratie gelten kann, dann ist es Periklesʼ Gefallenenrede, die der Historiker Thukydides in seinem Meisterwerk, dem Peloponnesischen Krieg (II, 37 1 ff.), wiedergibt. Perikles' Rede (495 v. Chr.), auf Altgriechisch epitaphios logos, wird zu Ehren der gefallenen Athener am Ende des ersten Jahres des Peloponnesischen Krieges (430 v. Chr.) gehalten.

Im Einklang mit der typisch griechischen Neigung, den Menschen als „politisches Tier“ zu betrachten, das nicht abgekoppelt von der Dimension seiner eigenen Polis vorstellbar ist, stellt Periklesʼ Epitaphios eine Verherrlichung der Demokratie nicht in ihrem abstrakten institutionellen Aspekt dar, sondern vielmehr als logische Konsequenz und Ausdruck des athenischen Geistes in politischer, wirtschaftlicher und soziokultureller Hinsicht.

Das athenische Wesen, sowohl als Individuum als auch als Gemeinschaft, wird von Perikles zu einem menschlichen Ideal erhoben, das als absolutes Paradigma für künftige Generationen gelten soll. Auf diese Weise wird die Demokratie gleichzeitig zur Verfassungsform der Polis und des Bürgers selbst und ist untrennbar mit dem Begriff der Utopie verbunden. Utopie bedeutet nicht notwendigerweise die Unrealisierbarkeit einer demokratischen Idee mit einer rein normativen Bedeutung. Die utopische Komponente in Perikles' leidenschaftlicher Rede evoziert vielmehr das enorme Potenzial, das die Demokratie den Bürgern der Polis zur Selbstgestaltung und zur Konstruktion ihrer eigenen Identität bietet, damit sie das werden, was sie wirklich sind.

Das ist das bleibende Vermächtnis der griechischen-attischen-athenischen Demokratie, ein wohl unvergleichliches Bewusstsein für die eigene Verfassung vereint mit einem Verständnis dieser Verfassung als Selbstverständnis. Aus diesem Vorbild können wir heute noch viel lernen.
Aktuelle Informationen dazu finden Sie unter: https://kulturanthropologie.uni-graz.at/de/
Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Impressum: Arbeitsgemeinschaft „Demokratieforschung“ der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz | Attemsgasse 25/I, 8010 Graz
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