+comunity+ ARCHIVE DES STADTVIERTELAPPARATS, DIE 1.

angelika reitzer a.reitzer at mur.at
Do Jan 26 16:58:20 CET 2006


Archive des Stadtviertelapparats / Archivos del Aparatobarrio

In Berlin, Barcelona und Buenos Aires ist soeben die zweisprachige  
Zeitschrift Archive des Stadtviertelapparats / Archivos del  
Aparatobarrio erschienen. Die experimentelle Zeitschrift wird im  
Februar 06 im Palais de Glace (Buenos Aires) präsentiert und  
erscheint dreimal jährlich. Sie wird vorerst gratis verteilt.

Ausgangsidee der Archive des Stadtviertelapparats sind die drei  
"Stadtviertelapparate" der argentinischen Künstler Sonia Abian und  
Carlos Piegari, die anlässlich des Projekts Ex Argentina  
(www.exargentina.org) entstanden sind und 2004/ 2005 in Köln (Museum  
Ludwig), Barcelona (Museu d'Art Contemporani), Rotterdam (Witte de  
Witt), Miami und Wien (Secession) ausgestellt worden sind. In den  
Installationen sind der Alltag, die Geschichten, Wünsche und Lieder  
eines Stadtviertels der nordargentinischen Stadt Posadas enthalten  
und auf verschiedene Weise zugänglich: durch Zeichnungen und Bilder,  
durch Notizbücher, Textrollen und CDs. Die Stadtviertelapparate  
zeigen, dass keine Begebenheit, keine Geschichte für sich steht.  
Alles steht miteinander in Verbindung.

Die Archive des Stadtviertelapparats greifen die Idee einer  
künstlerischen Darstellung des Alltags auf, um sie räumlich und  
inhaltlich weiter zu entwickeln: Miniaturen des täglichen Lebens aus  
Berlin, Barcelona und Buenos Aires verbinden sich in der Zeitschrift  
zu einem inhaltlichen, visuellen und sprachlichen Diskurs.

Das Thema der ersten Ausgabe ist die Grenze, die zwischen Ländern,  
Gesellschaftsschichten, Zeiten und Menschen steht. Aber nicht nur:  
sie kann auch  im Deleuze'schen Sinn  Fluchtlinie sein, die etwas  
entwickelt, die Dimensionen kreuzt, "auf der sich Revolutionen  
abzeichnen".

  Die Archive des Stadtviertelapparats sind auf DIN A3-Papier  
gedruckt. Die Beiträge sind auf zwei bis vier Seiten farbig  
gestaltet. Da die Zeitschrift nicht geheftet wird, entstehen auf 16  
Seiten vier bis acht inhaltliche und visuelle Einheiten, die  
vielfältig weitergenutzt werden können und dem Leser erlauben, seinen  
eigenen Weg der Lektüre durch die Bilder und Texte zu gestalten.

An das Prinzip der grenzüberschreitenden kreativen und redaktionellen  
Arbeit knüpft das Vertriebskonzept der Archive des  
Stadtviertelapparats: Mittels eines kulturellen, sozialen und  
künstlerischen Netzwerks werden die Zeitschriften im  
deutschsprachigen Raum, in Argentinien und Spanien verteilt. Wir  
wollen dabei nicht nur die Kunst- und Kulturszene, sondern ebenso die  
“Stadtviertelbewohner³ ansprechen. Die Zeitschrift liegt in  
Buchhandlungen / Galerien / Stadtteiltreffs / Kulturinstitutionen aus  
und wird auf mit unserer Arbeit verwandten Veranstaltungen verteilt.

Die Archive des Stadtviertelapparats können gegen Portogebühr  
bestellt werden: 1 Exemplar  3 Euro, 10 Exemplare  10 Euro,100  
Exemplare  50 Euro


Deutschland
Konstanze Schmitt / Adolfo Naya
Buchholzer Str. 20
10437 Berlin
030-4446496
piraterai-international at gmx.net

Spanien
Carlos Piegari / Sonia Abian
Villar 17 4º 3ª
08041 Barcelona
934461585
comunarte at hotmail.com

Archive des Stadtviertelapparats
Konzeption, Redaktion, Herausgeber Sonia Abian, Adolfo Naya, Carlos  
Piegari, Konstanze Schmitt
Originalbeiträge Eduardo Molinari, Gricelda Rinaldi, Abian/ Naya/  
Piegari/ Schmitt
Beiträge Roland Brus, Peter Dammann, Ana Zanotti
Layout  Martin Rümmele, Mariano Procopio, Rainer Joost (Berlin)
Produktion Susana Alonso, Juan Chirinos Franco (Barcelona)
Druck Asociación Ser Hispano (Barcelona)
Kontakt comunarte at hotmail.com, piraterai-international at gmx.net

Die Archive des Stadtviertelapparats haben das “creative commons  
copyright 2.0.³ Das bedeutet, dass sie nichtkommerziell und mit  
Erwähnung der Autoren reproduziert werden dürfen.

  * INTRO / Editorial
"Die Geschichten dieser Archive kommen aus dem Nebel, aus einer  
Dimension ohne Recht und Ruhm, ohne Chroniken, Gesetze oder Macht.  
Die Archive des Stadtviertelapparats sammeln Zeugenaussagen über das  
methodische Vergessen (sie wollen die Erinnerung nicht bewachen). Was  
diese Blätter erzählen, kann Wirklichkeit sein oder Fiktion: ihre  
Protagonisten müssen nicht verbergen, dass sie nur zufällig auf der  
Welt sind.

So kann also aus einem unbrauchbaren Helikopterlandeplatz auf dem  
Dach einer Ruine oder aus einem geplünderten Supermarkt eine mit  
übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattete Verbindungsfrau der Partei  
sich entpuppen. Ihre Überempfindlichkeit wird sie zwingen, sich mit  
der leidenden Seele eines katalanischen Anarchisten in Verbindung zu  
setzen, einem Vertreter des Nudismus und der freien Liebe, erschossen  
1930 in Argentinien auf Befehl des Generals Uriburu.
Der Name dieses ersten südamerikanischen Faschisten erhielt eine  
Brücke, auf der sich 2002 ein militanter Arbeitsloser aus Buenos  
Aires und ein galizischer Pirat treffen.  Später rekonstruieren sie  
in E-Mails die Geschichte des von den Nazis ermordeten jüdischen  
Sozialisten  Mordechaj Gebirtig, der einen Arbeitslosenmarsch  
komponierte, den die Un-Glückliche Arbeitslose heute wieder in Berlin  
singen und den die Musiker der Banda Bassotti auf einer CD  
veröffentlicht haben. Eine widersprüchlich antagonistische Hymne, die  
mit einem anderen ungezähmten Lied harmonisiert: Das Würmchen  
persönlich , dass Jorge De la Vega 1968 in Argentinien komponierte.  
Es erzählt die Geschichte eines Würmchens, einem Wesen so unbedeutend  
wie jemand ohne Arbeit für die immer gleichen Gesellschaften, aber  
dem konstitutiven Sein der Menschheit gefährlich nah, besitzt es doch  
den gleichen genetischen Code wie unsere DNA. Zweifellos  
unentbehrlich , auch wenn manche darauf bestehen, dass es einem Cent  
gleicht oder einem Bürger ohne Nation, einem Staatenlosen.

So ein Unsichtbarer könnte verschwinden in einer Explosion wie der,  
die ein Geschoss verursachte, das während der Bombardierungen gegen  
Perón am 16. Juni 1955 auf der Plaza de Mayo in Buenos Aires auf eine  
Straßenbahn fiel. Es explodierte nicht auf dem Dach des Fahrzeugs,  
sondern produzierte ein Vakuum in dessen Innern, das alle Insassen  
tötete. Verantwortlich für diesen Luftangriff, der den öffentlichen  
Raum in eine Brache verwandelte, war unter anderem der General Pedro  
Eugenio Aramburu. Er kam durch einen Staatsstreich an die Macht,  
genau wie sein Vorgänger Uriburu, der den Befehl zur Erschießung des  
katalanischen Anarchisten und Nudisten gab. Mit dem Namen Aramburu  
wurde eine Straße benannt, die an einer anderen Brache vorbei führt  
und die von einem Wächterhäuschen aus überwacht wird. 2004 trug sie  
auch den Namen Ombú, weswegen sie richtiger Ombúruru heißen müsste.  
Ein wahrhaftiges Konzentrationsfegefeuer mitten in der Pampa bei  
Buenos Aires; ein grüner, unergründlicher Friedhof, eingeteilt in  
tausende von Unkraut überwucherte Parzellen, auf denen heimlich die  
Leichen von katalanischen Anarchisten, streikenden Deutschen,  
arbeitslosen Argentiniern und italienischen Hausbesetzern begraben  
worden sind. Ein großer Friedhof, begrenzt und umzäunt von Wachposten  
und Mauern, gebaut aus Steinen und Stacheldraht aus Palästina/  
Berlin/ Auschwitz. Ihn durchquert jeden Morgen ein Musiker mit einem  
Cellokasten auf dem Rücken; durch den Kreisverkehr der Nationalstraße  
12 bei Posadas, die Bornholmer Straße in Berlin und den Checkpoint  
Erez am Gazastreifen. Einziger Wächter dieses tief und entfernt  
gelegenen Verwaltungsbezirks, der nur von einem unbrauchbaren  
Helikopterlandeplatz auf dem Dach einer Ruine gesichtet werden könnte."

DEMNÄCHST AUCH IM NETZ UNTER  WWW.APARATOBARRIO.ORG



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