+comunity+ stellungnahme

jörg vogeltanz joerg.vogeltanz at chello.at
Do Jul 1 04:19:10 CEST 2004


der einladung zur leistung meiner unterschrift zur kursierenden petition
"großprojekte werden gemästet, während unzählige kulturinitiativen am
verhungern sind" konnte und wollte ich aus folgenden gründen nicht
nachkommen:

1) es ist sattsam bekannt, woher die (angeblichen) engpässe in der
"versorgung" mit öffentlichen geldern kommen: der absolute -und von nicht
wenigen damals in die wüste geschickten warnenden stimmen vorhergesagt-
irrsinn einer schlecht bzw. von der betreibergesellschaft egomanisch
organisierten und (ausser zu werbezwecken behauptet) nicht nachhaltig
wirksamen kulturhauptstadt. und dabei haben fast alle der unterzeichner
mitgespielt und somit den supergau mitzuverantworten. that´s a fact!
wenn bisher überhaupt von irgendwo nennenswerte förderungen ausgeschüttet
wurden (und ich bin wahrlich kein befürworter neokonservativer politik),
dann war das das land, auch schon vor klasnic.
der lapsus, den natürlich auch lh klasnic, aber in viel grösserem masse die
stadt graz zu verantworten hat, besteht hingegen primär in einer durch
gesteuerte und inseratbezahlte medien verursachten hurra-alles-ist-so-toll -
stimmung, die man verzweifelt aufrechtzuerhalten suchte, selbst als man dem
bürger schon hätte mitteilen müssen, wo die wahren probleme liegen... eine
"nichtraunzerparole" á la "wer graz liebt, macht es nicht schlecht" ist
völlig kontraproduktiv und auch rein pr-technisch etwas gestrig. die
gleichschaltung der medialen berichterstattung ist demokratiepolitisch ein
riesiges problem ... wenn auch politisch durchaus nachvollziehbar :-);
dadurch wird dem einfachen bürger der blick auf nicht-touristische und/oder
kleinveranstaltungen verwehrt und somit jedes verständnis dafür genommen.
DAZU unterschreibe ich jederzeit eine petition.

2) ein zweiter grund für meine weigerung zur unterschriftleistung besteht in
der äusserst unsauberen liste der signateure:
nur ein beispiel: wie kann es wohl geschehen, dass ein stefan auer, seines
zeichens "headmaster" von p.p.c., einer organisation mit
10(!)-jahresvertrag, hervorragenden connections etc. hier unterzeichnet?
wäre er nicht besser beraten gewesen, wenn er wirklich ehrlich meint, wofür
er unterschreibt, er hätte seinen vertrag -der ja, bittesehr, nichts anderes
als eine stützung kommerziell orientierter unterhaltungsindustrie darstellt-
nicht unterzeichnet und das damit freiwerdende geld der restlichen "szene"
zur verfügung gestellt?
auch andere unterzeichnerInnen befinden sich in ideologischer oder
pekuniärer ausnutzungsstellung zu genau DEN punkten, die sie mit dieser
petition kritisieren. mit solchen personen kann man, wenn man es ehrlich
meint, nicht in einem boot sitzen.

3) "Ein großer Teil der Initiativen wurde im vorigen Jahr mit stark
unterdotierten Dreijahresvereinbarungen ruhig gestellt." nun... verträge
KANN man unterzeichnen, MUSS aber nicht.... allein die tatsache, dass man
überhaupt einen dreijahresvertrag angeboten bekommt, spricht zumindest von
förderWILLEN. von "ruhigstellung" keine rede: auch ruhigstellung muss man
aktiv zulassen. preQuel etwa hat keinen dreijahresvertrag bekommen... okay.
bin ich jetzt weniger ruhiggestellt? oder mehr? das problem liegt auch in
der weigerung oder unfähigkeit vieler kollegen, mit fördergeldern in
weiterer folge wirtschaftlich zu verfahren. ein nicht geringer teil wird für
die erhaltung schon längst obsoleter strukturen aufgewendet (muss ein
kleiner kulturbetrieb heute noch wirklich auf apple-computern arbeiten...?
oder ist das ein image-problem?)

4) die petition greift nicht weit genug: nichts von dem bereits vor einem
halben jahr geäusserten vorschlag, das budget für vorwiegend touristisch
relevante kultur einerseits (repertoireprogramme der vereinigten bühnen,
grossveranstaltungen á la 03 etc.) und produzierende, nicht unbedingt
gefällige kunst andererseits (wobei hier auch zb. progressivere produktionen
der bühnen oder des steir. herbst integriert würden) aus unterschiedlichen,
sich nicht tangierenden töpfen zu nehmen.
hier wäre auch eine deutlichere trennung und zumindest gleichbehandlung von
filmschaffenden bei "cineStyria" anzudenken.



das waren meine wichtigsten gründe.
es tut mir leid, aber diese petition wird als eine von vielen halbgaren
ideen in der schublade irgendeines beamten verschimmeln.

liebe grüsse,
jörg vogeltanz


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