+comunity+ [ml] Zusammenspiel und Verwobenheit der Sinne
Martin Schitter
ms at mur.at
Mi Feb 21 21:02:54 CET 2018
Es freut mich sehr, dass unsere 'machine learning'-Debatten nicht
ausschließlich immer nur um technisch-handwerkliche Fragen kreisen,
sondern auch die künstlerischer Perspektive sich immer wieder Gehör
verschafft.
Ein solcher Punkt, der auch mir nach unserem letzten Treffen nicht aus
dem Kopfe gegangen ist, betrifft das Zusammenspiel unterschiedlicher Sinne.
Offenbar ist es auch anderen so gegangen. Jakob spricht das an, wenn er
fragt: "ob eine Zuordnung von Tönen oder Geräuschen zu möglicherweise
endlos vielen Farbtönen möglich wäre", und auch Mernas Aufruf, dass man
sich aus pragmatischen Gründen nur auf eine einzige menschlichen
Wahrnehmungsqualität konzentrieren sollte, nimmt darauf Bezug.
ich glaube zwar, das uns diese Fragen hauptsächlich deshalb so
durchgängig begleitet, weil das in Fach- und Spartenübergreifenden
Settings, wie unserem, fast unvermeidlich ist. In diesem Sinne spiegelt
es wohl eher Respekt, Neugierde und waches Interesse gegenüber den
jeweils anderen Anwesenden bzw. deren oft völlig anders gelagerten
Arbeitsfeldern wieder. Trotzdem berührt es tatsächlich auch Fragen, die
mit unserer zentralen Thematik ganz wesentlich zu tun haben.
Mir ist das letztes Mal so richtig bewusst geworden, als ich mich im
Zuge dieser Diskussion und Erklärungen von Artemis und Magarethe an weit
zurückliegende Philosophie-Seminare erinnern musste. Von diesem
verwobenem Zusammenspiel mehrere Sinne war ja auch im Umfeld der
Phänomenologie immer wieder die Rede.
Ziemlich anschaulich [aber für meinen Geschmack fast schon ein wenig zu
verlockend leicht verdaulich] scheint mir das in folgendem Artikel
dargelegt zu werden, der auch gleich Mernas herausheben dieser einen[?]
Sinnesmodalität auf die Probe stellt:
http://phaenomenologica.de/2017/09/24/phaenomenologie-als-experiment-synaesthesie/
So reizvoll und originell ich es finde, bewusst diese eine konkrete
[Wahrnehmungs-]Qualität besonders hervorzuheben, -- immerhin gibt es
über guten "Geschmack" im Umfeld der Kunst ja doch einiges zu sagen --,
möchte ich hier doch lieber dem Begriff der "Synästhesie" folgen, der
plötzlich auch im Raum steht.
"Synästhesie" (https://de.wikipedia.org/wiki/Syn%C3%A4sthesie) bezieht
sich auf ziemlich breit aufgefächertes Feld von Bedeutungen. Dort, wo es
nicht ausschließlich nur mehr im übertragenen Sinn Verwendung findet,
kann es sich ebenso auf gravierende Krankheitsbilder und
Wahrnehmungsstörungen beziehen, wie auf höchst hilfreiches und
ergänzendes Zusammenspiel bzw. Überlagerung verschiedener
Sinnesmodalitäten in der alltäglichen Wirklichkeitsbewältigung.
Für die künstlerische Arbeit mit digitalen Mitteln ist das insofern
spannend, weil das hier benutze [Daten-]Material, egal welcher
menschlichen Wahrnehmungsform es zuzuordnen ist, ohnedies bereits in
mehr oder weniger gleichartiger Beschaffenheit vorliegt -- was liegt
also näher, als es auch über diese Grenzen hinweg untereinander zu
verknüpfen bzw. ineinander zu verschieben? Wenn man diese
Herausforderung ernst nimmt, geht das schnell über ein bloßes
Nebeneinader in der Nutzung "multi-medialer" Kanäle hinaus.
Als diesbezüglicher Anstoß sei auf das "DIGITAL SYNESTHESIA" Projekt
(http://digitalsynesthesia.net) der Angewandten in Wien verwiesen.
Wenn ich das nun wieder mit dem in Verbindung bringe, was mir an
'machine learning'-Ansätzen wesentlich erscheint, dann dürfte es auch in
diesem Fall wieder den Umstand berühren, tatsächlich mit unaufbereitetem
empirischen Ausgangsmaterial und darin zu entdeckenden Mustern,
Ähnlichkeiten und dem Moment der Wiedererkennung zu hantieren, statt
sich bei der Übersetzung auf einen menschlichen Akteur und dessen
Urteils- und Einordnungsvermögen zu stützen -- also: die Bezugnahme auf
erlernte Spielregeln und den Umgang mit vermittelnden symbolische
Repräsentation (=Beschreibungen) vorerst einmal auszuklammern --, in dem
Fall aber eben auch über die Grenzziehung der einzelnen Sinne hinweg.
Mich persönlich reizt die Auseinandersetzung und das
neugierig-experimentelle Spiel mit dieser Form der Datenverarbeitung und
ihrer elementaren Funktionsweise fast mehr, als dass ich derartiges
gleich in Beziehung zu irgendwelchen besonders bedeutsamen menschlichen
Fähigkeiten oder so vagen und irritierenden Begriffen wie "Intelligenz"
u.ä. setzten möchte.
Natürlich sehe ich daneben auch die Wichtigkeit, derartige Entwicklungen
und Möglichkeiten auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen und absehbare
praktischer Relevanz hin zu hinterfragen, aber auch das scheint mir am
ehesten noch über die nüchterne Beschäftigung mit ihrer tatsächlichen
technischen Funktionsweise zugänglich zu sein.
So viel für heute von meiner Seite -- irgendwo aus dem Niemandsland, wo
man sich weder als Künstler, noch als Techniker, und schon gar nicht als
Philosoph versteht. ;)
liebe Grüße!
martin
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