+comunity+ in linz gibt es viel polizei (fwd)

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Mo Mai 4 21:17:06 CEST 2009


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---------- Forwarded message ----------

VON RAINER ZENDRON, VIZEREKTOR DER KUNSTUNIVERSITÄT LINZ

liebe kollegInnen, liebe studierende, liebe freundInnen,

viele von euch werden im laufe des wochenendes über bekannte, die presse
oder das fernsehen mitbekommen haben, dass ich im zuge der
maidemonstrationen in linz von der polizei inhaftiert wurde und mich ein
prozess wegen widerstand gegen die staatsgewalt erwartet.

deshalb eine kurze darstellung aus meiner sicht:
ich beobachte jetzt seit etwa 45 jahren die maidemonstrationen in linz,
weil ich den forderungen der arbeiterInnenbewegung um erweiterung
demokratischer wie ökonomischer rechte und für internationale solidarität
grosses interesse und sympathie entgegen bringe. persönlich habe ich nie
an einem maiaufmarsch der SPÖ oder KPÖ teilgenommen, da ich mich - zu
meinem bedauern - mit keinem deren programme vollinhaltlich
identifizieren konnte.
ich beobachtete auch heuer mit einer gruppe von freundInnen die
maidemonstrationen am hauptplatz. nachdem um 11:30 der KPÖ-zug den
hauptplatz noch immer nicht erreicht hatte und wir geplant hatten, den
nachmittag in der solarcity beim 09 projekt zu verbringen ging ich die
landstrasse entlang, um zu schauen, wo deren demonstrationszug geblieben
sei.
als ich an der goethekreuzung angekommen war, fuhr mir ein schreck durch
die glieder, da ich auf der blumau ein riesiges polizeiaufgebot sah; ^Ö
ich befürchtete, dass neofaschisten, die kleine gruppe der KPÖ
demonstratInnen überfallen hätten. (im internet ^Ö wie ihr vielleicht
wisst - hatten die rechtsradikale aufgerufen, anlässlich des
kulturhauptstadtjahres einen ^Ägesamtdeutsche^Ó aufmarsch in linz
durchzuführen).
als ich jedoch bei der blumau eintraf, musste ich erkennen, dass die
polizei den abmarsch der demonstration verhinderte. etwa 30 friedlich
sitzende jugendliche wurden von etwa 50 stehenden polizisten umringt, die
älteren demonstrationsteilnehmerInnen standen empört und aufgeregt herum.
um mich über die lage zu informieren, fragte ich einen polizisten, warum
die demonstration nicht stattfinden würde. er antwortete mir, weil die
demonstrantInnen ^Ävermummt^Ó seien. da ich jedoch keineN einzigeN
vermummteN demonstrantIn wahrnehmen konnte, fragte ich nach. darauf bekam
ich keine weiter antwort, da ja tatsächlich keine zu sehen waren.
daraufhin fragte ich eine, der nicht-eingekesselten demonstrantInnen. sie
sagte mir, dass die polizei von allen jugendlicheren demonstratInnen
verlangen würde, dass diese, um am maiumzug teilnehmen zu dürfen, sich
zuerst fotografieren lassen und ihren personaldaten abgeben müssten.
dies widerspricht meiner auffassung nach gröblichst sowohl den
menschenrechten als auch der österreichischen verfassung.
während ich noch versuchte mir einen überblick über die lage zu
verschaffen, sah ich, dass die größere gruppe von polizistInnen mit
massiver staatsgewalt begann ein mädchen aus der reihe der sitzenden,
eingekesselten jugendlichen herauszuzerren. ich lief ein paar schritte
hin, um zwischen demonstratInnen und polizei zu vermitteln und unnötige
polizeigewalt zu verhindern. doch bevor ich dort angekommen war, wurde
ich von polizistInnen zu boden gestossen und von weiteren,
herbeistürmenden polizisten umringt. ich war geschockt und rollte mich am
boden liegend zusammen, um kopf und körper möglichst vor schlägen mit den
polizeiknüppeln zu schützen.
die polizistInnen legten mir am rücken handschellen an und trugen mich
zum arrestantInnenwagen. ich wurde ins polizeihauptquartier verbracht.
bis zu meiner freilassung - um etwa 20:00 uhr - saß ich in einer
einzelzelle. mir wurden fingerabdrücke, abdrücke der handballen und
DAN-proben abgefordert, ausserdem wurden drogentests durchgeführt und
polizeifotos angefertigt.
ich kann keine gesamteinschätzung der vorgänge abgeben, da ich etwa 5
minuten, nachdem ich auf der blumau eingetroffen war, bereits verhaftet
wurde. ausser mir wurden vermutlich 6 weiter personen festgenommen.
ich hatte vor meiner verhaftung keinen polizisten beschimpft. kein
polizist hatte mich vor meiner verhaftung zu irgend etwas aufgefordert
oder an mich auch nur ein wort gerichtet. ich hatte keinen polizisten
angegriffen. durch die grosse aufregung hatte ich auch keinerlei schläge
seitens der polizei wahrgenommen. erst nachdem ich am nächsten tag auf
videos meiner verhaftung gesehen hatte, dass ich offensichtlich mit
gummiknüppeln geschlagen worden war, betrachtete ich meinen körper im
spiegel und konnte einige ^Äblaue flecken^Ó sehen.
ich bin über den polizeieinsatz gegen den traditionellen, vorerst
friedlichen maiaufmarsch sehr empört. zugleich bin ich - bei gegebener
lage - jedoch froh, dass ich unter den verhafteten war, da so der
polizeieinsatz eine große öffentlichkeit bekommen hat; hätte es nur ein
paar arbeitslose jugendliche getroffen, gäbe es leider vermutlich keine
öffentliche debatte darüber.
mein grossvater, ein arbeiter der ÖBB, wurde 1934 auch beim versuch
verhaftet, eine maidemonstration in linz durchzuführen. die zeit bis 1945
bezeichnen wir heute als faschismus. nach 1945 wurde meines wissens kein
maiaufmarsch der arbeiterInnenbewegung in linz von der polizei
angegriffen oder verhindert. heute leben wir sicherlich in keinem
faschistischen land; zum glück ^Ö möge es so bleiben. doch offensichtlich
müssen demonstrationsfreiheit und andere menschenrechte auch aktuell
verteidigt werden.

zu meiner lage musste ich mir übers wochenende auch so einiges überlegen:
ich bin zufrieden, es geht mir sehr gut und ich fühle mich völlig
unschuldig, denn zivilcourage wird allerorts und von allen parteien
beständig gefordert.
trotzdem bin ich mir sicher, dass das große medienecho (über welches ich
glücklich bin) ^Ö bei stetiger nennung meiner funktion in der
kunstuniversität linz ^Ö in anbetracht der aktuell bedrohlichen
finanziellen lage, für die kommenden finanzierungsverhandlungen unserer
universität schädlich ist; nicht zuletzt deshalb, weil sich bereits heute
führungspersönlichkeiten der ÖVP sehr deutlich hinter den polizeieinsatz
gestellt haben. mein kommendes gerichtsverfahren, wird aller voraussicht
nach, im herbst parallel zu den leistungsverhandlungen mit minister hahn
laufen.
deshalb steht meine entscheidung, die ich allein und ohne absprache oder
gar druck von irgend einer seite beschlossen habe, fest: ich werde mein
amt als vizerektor mit beginn des WS zurücklegen und mich karrenzieren
lassen.

es freut mich sehr, dass ich bereits im laufe des wochenendes von mehr
als hundert kollegInnen solidaritätsanrufe, sms`s und mails bekommen
habe, weil es persönlich einfach gut tut, zu wissen, dass sehr viele von
euch hinter mir und meinen aktivitäten stehen.

liebe grüsse und vielen dank für eure hilfe

rainer






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