+comunity+ Frankfurter Arbeiten: 6.,7.,8.April (fwd)

f, ft at mur.at
Do Mär 29 12:24:31 CEST 2001


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FRANKFURTER ARBEITEN
IN ERINNERUNG AN ULRICH WIESNER
Ausgewählte Filme aus Frankfurt, von 1984 – 2000,
am 6.,7.,8. April im Künstlerhauskino

mit Filmen von Frank Biesendorfer, Kerstin Cmelka, Thomas Draschan, Thomas 
Feldmann, Alina Viola Grumiller, Gerhard Geiger, Karin Hörler, Goh Harada, 
Nino Pezzella, Laura Padgett, Ulrike Reichhold, Albert Sackl, Bernhard 
Schreiner, Monika Schwitte, Georg Wasner und Ulrich Wiesner
(Zusammenstellung der Filme: Georg Wasner)


Alle der oben angeführten FilmemacherInnen studierten bei Peter Kubelka an 
der Städelschule in Frankfurt am Main. Angeregt von einem der wichtigsten 
Vertreter des unabhängigen Films entwickelten sie verschiedenste formale 
Strategien, von strengen strukturellen Filmmodellen bis hin zu offenen, 
organischen Methodiken. Bei aller Unterschiedlichkeit der einzelnen 
Herangehensweisen gibt es einen gemeinsamen Angelpunkt: die Arbeit innerhalb 
der rigiden Parameter eines kinemathographischen Regelsystems, mit 
Ergebnissen, die erst durch die reflexive Auseinandersetzung mit der 
Materialität des gewählten Mediums gelingen.


Die Filme entstehen mit Hilfe einer Maschinerie, die in den Zeiten der 
verlustfreien Übermittlung von Daten anachronistisch erscheinen mag. Ihre 
kinemathographische Qualität (d.h. ihr "tatsächlicher" Abbildungswert) ist 
im Tauwetter, das die Neuen Medien mit sich brachte, und in dessen 
Klimazonen sich Gattungsgrenzen aufzuweichen scheinen, historisch geworden. 
Vielleicht stellen die Frankfurter Arbeiten deswegen die Wegmarken einer 
Weltaneignung dar, die sich mit dem Verschwinden ihres Trägermaterials 
ebenfalls verflüchtigen könnte (ein paradoxer Sachverhalt, handelte es sich 
bei Film ja schließlich um eines der Medien der uneingeschränkten 
Reproduzierbarkeit).


Es gilt festzuhalten, daß es bei einer Präsentation der Filmarbeiten aus 
Frankfurt nicht um einen Rückblick auf ein bereits historisches Programm der 
Bilderproduktion geht, vielmehr betritt man als Zuseher eine Welt, deren 
Architekten/Bewohner sich der in ihr herrschenden Grenzen bewusst sind - um 
diese umso leichter zu verschieben.


In Teil 1 und Teil 2 des Programms reagieren kürzere und längere Filme 
miteinander.Besonders kurze und verdichtete Filme werden zweimal 
hintereinander gezeigt (sie sind mit "x2" gekennzeichnet).Teil 3 des 
Programms besteht aus Arbeiten von Monika Schwitte, der Nachfolgerin Peter 
Kubelkas als Professorin für Film an der Städelschule in Frankfurt am Main.

Freitag, 6.April 2001, 23h
Teil 1
"MIA  ZIA"; Nino Pezzella/ 16mm/ Ton/2Min./x2/ 1984
"MISTRAL"; Bernhard Schreiner/16mm/Ton/8Min./1999
"97/98"; Goh Harada/16mm/Ton/8Min./1998
"SWEET SWEET"; Frank Biesendorfer/16mm/Ton/3Min./1997
"GRANATAPFEL"; Ulrike Reichhold/16mm/ohne Ton/1Min./1987
"3 FILME"; Thomas Draschan/16mm/ohne Ton/9Min./1998
"HOCHBERG"; Bernhard Schreiner/16mm/Ton/3.5Min./1995
"HWA SHAN DISTRICT, TAIPEI"; Bernhard Schreiner/16mm/Ton/13Min./1999
"COCULLO"; Nino Pezzella/16mm/Ton/30Min./2000

Samstag, 7.April 2001, 23h
Teil 2
"FRISCH"; Karin Hörler/16mm/Ton/3Min./1987
"2 CHINESISCHE ZEICHEN"; Thomas Feldmann/16mm/Ton/1,5Min./x2/1984
"96/97"; Goh Harada/16mm/Ton/6Min./1997
"NO WONDER"; Frank Biesendorfer/16mm/Ton/13Min./1998
"IL PALIO"; Georg Wasner/16mm/Ton/1,5Min./x2/1999
"LUI NON È"; Alina Viola Grumiller/16mm/Ton/3,5Min./2000
"FRAGMENT"; Laura Padget/16mm/Ton/2Min./1984
"MIT MIR"; Kerstin Cmelka/16mm/ohne Ton/3Min./2000
"GUT EIN TAG MIT VERSCHIEDENEM"; Albert Sackl/16mm/ohne Ton/12Min./1999
"METROPOLEN DES LEICHTSINNS"; Ulrich Wiesner & Tomas 
Draschan/16mm/Ton/12Min./2000
"PALATCA"; Gerhard Geiger/16mm/Ton/23Min./1999

Sonntag, 8.April 2001, 12h
Teil 3
ARBEITEN VON MONIKA SCHWITTE
"OBATALA"; 16mm/ohne Ton /3Min./1981
"MAGGI"; 16mm/ohne Ton /2Min./1982
"O.T."; 16mm/ohne Ton /9 Min./1988
"SELF-FULFILLING PROPHECY"; 16mm/ohne Ton /1,5 Min./1994
"O.T."; 16mm/ohne Ton /3Min./1999

Freitag, 6.April 2001, 23h
Teil 1
"MIA ZIA";
Nino Pezzella/ 16mm/ Ton/ 1.5Min./1984
Innerhalb kurzer 90 Sekunden gelingt es Pezzella abstrakte Sensationen und 
die genaueste Dokumentation eines Ortes in den italienischen Abruzzen zu 
liefern. 90 Sekunden - relativiert durch das Vermögen eine ganze Welt darin 
einzuschließen, werden zu einer am Schneidetisch geborenen Zeitfalle, ein 
Kontinuum aus rasenden Querverbindungen. Ein komplexer Film, synthetisiert 
aus einfachen, realen Geschehnissen. Seine Ingredienzien: Die Brandung des 
Meeres, ein wirr zusammengefügter Steg aus Holz, Fische - vor und während 
des Ausnehmens, züngelnde Flammen, ein Totenkopf, ein Rost mit einem Stück 
Fleisch darauf, eine aufgebahrte Jesusfigur - von den Teilnehmern einer 
Prozession getragen, das Gesicht einer Frau - in der Unschärfe wie ein 
Marienbildnis, ein Büßer - auf seinen Schultern ein Kreuz, ein Lamm durch 
dessen weit geöffnete Halsschlagader einen Faden Blut austritt, eine 
Blasmusikkapelle, an Fleischerhaken aufgehängte Schlachttiere, die 
Silhouette einer Stadt, die Dünung der See. Die einzelnen Szenen werden in 
wenige Kader zählende Einheiten zerschnitten und nach Analyse miteinander 
alternierend rekombiniert, mit dem Ton wird ebenso verfahren. Ein 
Beziehunsgeflecht entsteht. Form generiert Inhalt, Inhalt Form. Faltung, 
Kondensierung, geballte Energie - visuelle  Eleganz.

"MISTRAL";
Bernhard Schreiner/16mm/Ton/8Min./1999
"MISTRAL" als Gegenpol zu "MIA ZIA". Bei Schreiner eine mit lässiger Geste 
ausgeführte, chronologisch gereihte, athmosphärische Proposition (mit viel 
Fleisch am Knochengerüst), bei Pezzella ein achronologisches Kondensat (mit 
einer bis auf die Knochen  reduzierten Aussage). Bei Schreiner eine Feier 
der Absenz der vordergründigen Handlung, bei Pezzella durch Handlungen 
geformte Struktur. Viele unterschiedliche visuelle Stile bei Schreiner, die 
strikte Einhaltung eines Bauprinzips innerhalb eines Filmes bei Pezzella. - 
Die Verwandtschaft der beiden Filmemacher: Die Fähigkeit organische 
Strukturen zu schaffen.
Ein Aufenthalt in der Ardèche bietet Schreiner Gelegenheit zur Sammlung 
kontemplativer Eindrücke, die so gefundenen Ausgangsbilder werden einer 
intuitiven Richtigstellung unterzogen. Der Intuition des Filmemachers wird 
bereits während der Aufnahme einiger Platz eingeräumt, meist sind Schreiners 
Filme schon zu einem guten Dreiviertel fertig, wenn sie aus der Kamera 
kommen. Saccadensprungschnelle Blicke, schmetterlingsflügelhafte 
Brennweitenveränderung, Verwinkelung des Ganges der Gedanken. Der Frühling 
über den Steinen der Ardèche.

"97/98";
Goh Harada/16mm/Ton/8Min./1998
Bei Haradas Filmen "97/98" und "96/97" sind die Unterschiede zwischen der 
Oberfläche  der abgebildeten Handlungen und ihrer tieferliegenden Bedeutung 
von Interesse. Eine Ansammlung von Reden und Gegenreden, von Gesten, 
Grimassen - ein Film im Plauderton, aus dem Reichtum der im Tokioter 
Elternhaus aufgezeichneten verbalen und nonverbalen Kommunikation schöpfend. 
Darunter verbirgt sich kraft der Montage ein anderer Körper. Ein Detail der 
Verknüpfungslogik genauer betrachtet und schon zerbricht die scheinbare 
Oberfläche der alltäglichen Verrichtungen in tausend Bezugssplitter.
Ein Spiegelbild im Spiegel- der Filmemacher spiegelt sich zunächst in den 
Gesichtern der Portraitierten, ferner durch eine äußerst feine, 
körpergebundene Kameraführung ( - gleich einem Kunstschützen zielt er "aus 
der Hüfte" und benutzt den Sucher der Kamera nicht), sein subtiler Humor 
spiegelt sich schließlich durch die künstliche Zuspitzung des Gesammelten am 
Schneidetisch

"SWEET SWEET";
Frank Biesendorfer/16mm/Ton/3Min./1997
Ein Liebesfilm, der mit traumwandlerischer Sicherheit den richtigen Ton 
anschlägt. Dabei das Gegenteil von Haradas Film, trotz Fokussierung auf 
dasselbe Interessensfeld: der Partner, die Familie, die Heimat. Anstatt 
Tokio Florida, anstatt einem Ballett der Bezüge das auf kleinstem Raum 
aufgeführt wird, taktisch eingesetzte Naivität und Schludrigkeit. Und Hank 
Williams singt "I'm so lonesome, I could cry" dazu.

"GRANATAPFEL";
Ulrike Reichhold/16mm/ohne Ton/1Min./1987
Reichhold läßt die diffizilen Aufzeichnungen aus dem Alltag Inspiration 
schöpfender Filmemacher mit einer explodierenden Gleichzeitigkeit (die nur 
wenige Sekunden wärht) hinter sich: Man sieht einen Granatapfel, einen 
Schnitt mit einem Messer durch diesen, danach werden dem Trägermaterial (des 
Granatapfels) korrelierende Filmschnitte beigefügt.

"3 FILME";
Thomas Draschan/16mm/ohneTon/9Min./1998
Die Verfolgung eines konzeptionellen Prinzips einen ganzen Film hindurch. 
Eine mathematische Idee für die Struktur eines Filmes, ohne die Hilfe eines 
Schneidetisches in der Kamera gefertigt, trifft auf die Faktizität der 
Außenwelt. Jeder Kader bewusst einzeln belichtet - also photographiert. 
Dieses Standbild  durch die Abwechslung mit dem darauf folgenden in 
kinemathographische Bewegung versetzt. Ergebnis: rasender Stillstand, die 
Dehnung der Naturgesetze und die Erfüllung des Wunsches Tag und Nacht 
gleichzeitig in einer Klammer zu fassen. Ein dreidimensionaler Film, auf 
zwei Arten geschaffen: Erstens durch dreidimensionale Effekte, hervorgerufen 
durch die Interferenz der sich immer wieder überlagernden Ähnlichkeit der 
Bildinformation. Zweitens durch die subtile Tiefenabstufung des Bildinhaltes 
selbst, die in zwei Richtungen funktioniert: Die Aussicht auf einen 
städtische Platz, durch eine Glasscheibe hindurch, und der Raum, in dem sich 
der Filmemacher aufhält, als Spiegelung auf dem Fensterglas sichtbar 
gemacht.

"HOCHBERG";
Bernhard Schreiner/16mm/Ton/3.5Min./1995
Sommer und Winter treffen aufeinander. Die Bühne dazu bietet ein Berg in der 
Nähe Wiens, weitere Akteure dieses Dramas eine Figurengruppe, die 
Souffleusen Zikaden. Oder ein Bilderrätsel, seiner eigenen Aufklärung mit 
jedem zurückgelegten Filmmeter schneller entgegeneilend. Warum Bild, warum 
kein Bild, warum Ton, warum Stille - Warum das Zirpen der Zikaden?

"HWA SHAN DISTRICT, TAIPEI";
Bernhard Schreiner/16mm/Ton/13Min./2000
Ein Industrieviertel in der Mitte Taipeis soll geschliffen werden, Schreiner 
besucht dieses einige Wochen vor der Demontage, streift mit seiner Kamera 
zwischen den Ruinen herum, setzt die Bilder, die er in diesem Wasteland 
sammelt in Beziehung zu der belebten Stadt um ihn herum. Die formalen 
Kriterien nach denen die Aufnahmen erfolgen liegen primär in der 
Erfahrbarmachung der Architektur begründet. Um die Porösität der Mauern, die 
Durchlässigkeit der ganzen Stadt sichtbar zu machen, sind andere Mittel 
nötig, als wenn es darum geht die Verkehrsbrandung zu zeigen, oder die 
stille Tiefe eines Raumes. Und so sondiert Schreiner das Terrain mit einer 
ganzen Bandbreite unterschiedlicher Stile. Einmal sind es 
Brennweitenverlagerungen, ein anderes Mal einfache Manipulationen an der 
Blende, dann die Metaphernmontage harter Schnitte. Anfänglich verwirrt diese 
Bandbreite unterschiedlicher filmischer Ausdrucksweisen, doch nachdem man 
die einen umgebenden Räume einige Zeit mit Schreiner durchstreift, erkennt 
man, daß der anfängliche Manierismusverdacht unbegründet war: Es ist die 
Faszination des Gebrauchswertes der Erkenntnisleistung, die die Apparatur in 
des Filmemachers Händen ( - der weit davon entfernt ist, eine experimentelle 
Untersuchung des Raumes durchzuführen) fähig ist zu leisten. Der Film ist 
lebendig wie die Stadt um ihn herum, pulsiert, er atmet, setzt über 
Leerstellen, dringt in Ritzen vor, ist einmal wie Wasser, ein anderes Mal 
wie Luft, - besitzt er einen physischen Körper? Nachdem das Wesen des Films 
allerdings auch zur Schaffung von Syllogismen fähig scheint, gesellt sich 
zur verwirrenden physischen Qualität Abstraktionsvermögen - Seele.

"COCULLO";
Nino Pezzella/16mm/Ton/30Min./2000
Mit "COCULLO" kehrt Pezzella noch einmal an den Ort seiner früheren 
filmischen Unternehmungen (die Abruzzen) zurück. Über mehrere Jahre hinweg 
beobachtet er die Vorgänge rund um den Umzug im Namen des lokalen 
Schutzheiligen Domenikus, dessen Statue im Frühling mit der mäandernden 
Pracht der von den Bewohnern Cocullos gefundenen Schlangen dekoriert wird. 
Pezzella gelingt eine derartig systematische und genaue Beschreibung der 
Situation, daß einem der unheimliche Gedanke kommen könnte, der Filmemacher 
wäre im Stande gewesen Alles auf einmal zu überblicken und es in Beziehung 
zueinander zu setzen, was an diesem Ort stattfand (- und dieser Ort ist ein 
ganzes Tal). Ein nicht enden wollender Augenblick, und die Antwort auf die 
Frage, was diese von Pezzella gefundene, genuin filmische Form ( deren 
Gestaltung die Energie des Filmemachers in kurzer Zeit eigentlich restlos 
aufgezehrt haben müsste) in ihrer langen Version (gegenüber der kurzen 90 
Sekunden von "MIA ZIA") auszusagen imstande ist.

Samstag, 7.April 2001, 23h
Teil 2
"FRISCH";
Karin Hörler/16mm/Ton/3Min./1987
Am Mittag gebratene Steaks und Schnitzel,
herzhafter Schinken,
Leberkäs und Salamie am Abend.
Würstchen und Speck in frischer Gemüsesuppe.
Scharfgewürztes Schaschlik am Spießchen.
Garnierte Aufschnittplatte für abendliche Gäste.
Kräfigende Wurstwaren für die Schulpause.
Duftender Braten für die sonntäglichen Tisch.
Wiener Würstchen,
als kleines Schnellgericht
aus ihrem Fleischerfachgeschäft.

"2 CHINESISCHE ZEICHEN";
Thomas Feldmann/16mm/Ton/2Min./1984
Aggression und Melancholie in einem erschöpfenden Reigen. Die Linie seiner 
Erzählung zieht Feldmann mit sicherer Hand durch ein Trümmerfeld, die 
Hindernisse, die ihm sein disparates Ausgangsmaterial in den Weg legt, 
werden dabei zur Herausforderung. Einer der wenigen vollendeten Filme des 
jung verstorbenen Filmemachers.

"96/97";
Goh Harada/16mm/Ton/6Min./1997
Übung in Hyperrealismus, die Erste: bevor Harada mit "97/98" seine 
Kunstfertigkeit im Umgang mit der Kamera und dem Schneidetisch erneut unter 
Beweis stellen wird (und sich darin selbst übertrifft), geht er in "96/97" 
erstmalig auf Fühlung mit dem Komplex des Privaten, schöpft diesem 
aussagekräftige Momente ab. Ein Zwillingsfilm: Auf den ersten Blick gleicht 
"96/97" seinem Nachfolger, der einzige Unterschied scheint der Einsatz von 
s/w Material gegenüber Farbe in "97/98" zu sein.

"NO WONDER";
Frank Biesendorfer/16mm/Ton/13Min./1998
Biesendorfers Film ist dem Genre zuzurechnen, das man gemeinhin als 
Autobiographie oder Tagebuchfilm bezeichnet. Dieses Etikett vermag 
allerdings nur vage  Auskunft darüber zu geben, was es bedeutet dicht hinter 
die Augen des Filmemachers zu rücken,- in seiner Haut zu stecken.
Die strenge, festgefügte Form vieler Filme, die im Kontext der Städelschen 
Filmklasse entstanden, konterkariert Biesendorfer mit seiner ausufernden 
Erzähltechnik. Der Film wächst und wächst. Die Mühe eine endgültige Form zu 
finden, ist dem Filmemacher anzumerken.
Biesendorfers Filme loten die Maßlosigkeit aus (und sind dabei doch nur 
wenige Minuten kurz), wo Pezzellas oder Haradas Filme das genaue Maß feiern. 
Jedoch steigt auch Biesendorfers Trefferquote der gelungenen Formulierungen 
mit dem Entschluß, die Materialsammlung mehrerer Jahre (und mehrerer eigener 
ausgeschlachteter Filme) für die Konstruktion von "NO WONDER" zu verwenden, 
exponentiell an.
- - Das fertige Werk ist schön wie etwas zufällig Entstandenes, dabei 
erscheint alles mit großer Sorgfalt und Naivität konstruiert.

"IL PALIO";
Georg Wasner/16mm/Ton/1,5Min./1999
Vier Filmemacher unternehmen gemeinsam eine Reise durch Italien, es 
entstehen unabhängig voneinander vier Filmarbeiten, die sich, wenn gemeinsam 
aufgeführt, gegenseitig kommentieren, aber auch für sich selbst sprechen. 
Der Film "IL PALIO" ist der kürzeste und verdichtetste der vier Arbeiten, er 
ist ein lakonischer Kommentar der Verhältnisse, vielleicht ein Liebesfilm.

"LUI NON È";
Alina Viola Grumiller/16mm/Ton/3,5Min./2000
(...)
potenz problem
mir tut`s leid das es ihm nicht gut geht
das ist eh was ich prognotiziere
damit kommt`s
eine gefühls regung
für irgendwas zu empfinden
du hast ihn stehen lassen
basta!
womit ich ihm vielleicht unrecht getan habe
i stood suddenly
also es war nicht unangenehm
zwischen uns beiden
irgendwie
hat`s gereicht
(A.V.G.)

"FRAGMENT";
Laura Padgett/16mm/Ton/2Min./1984
Das Schattenspiel ist ein Spiel der Hände, geheimnisvoll und doch klar. Das 
Gesehene ist schemenhaft, das Gehörte nur ein Raunen in einer fremden 
Sprache (oder wird der Ton verkehrt herum abgespielt?), all das wirkt 
jedoch, löst ein Gefühl aus, widersetzt sich aber genauerer Festlegung. 
Negativ folgt auf Positiv, die Bilder sind zeitlos, bleiben abstrakt, haben 
eine entfernte Ähnlichkeit mit Rayographien oder Photographien 
Moholy-Nagy`s. Dabei bewegen sich diese Bilder voll dunkler Schönheit im 
Taktschlag einer exakten Montage, die den Versuch einer sprachliche 
Beschreibung ihrer Metaphern nicht zuläßt.

"MIT MIR";
Kerstin Cmelka/16mm/ohne Ton/3Min./2000
Eine Rolle Film wird zweimal belichtet. Eine einfache Choreographie 
kontrolliert die Interaktion der beiden Figuren. (K. C.)

"GUT EIN TAG MIT VERSCHIEDENEM"; Albert Sackl/16mm/ohne Ton/12Min./1999
"GUT EIN TAG MIT VERSCHIEDENEM" ist der vorläufige Höhepunkt einer 
mehrjährigen Reihe von Super-8 Filmen, in denen der Autor zugleich der 
zentrale und meist einzige menschliche Protagonist ist. Die weitgehend 
automatisierte Aufnahme läßt jedoch auch die Kamera ihr (maschinelles) 
Eigenleben hervorkehren. So entspinnt sich in Sackls Filmen ein Dialog 
zwischen menschlichen Agenten und apparativen, zwischen Kamera und 
beobachtetem Körper.
"GUT EINE TAG...", der rund 24 Stunden auf wenige Minuten komprimiert, ist, 
wie die meisten Filme Sackls, in einem black cube, einem "unsichtbaren" und 
nahezu völlig entleertem Heimstudio gedreht, wodurch auch der Aspekt 
(vermeintlicher) persönlicher Authentizität von Anbeginn gründlich 
distanziert wird. Alltägliche Situationen, elementare Verrichtungen (Essen, 
Schlafen etc.) wechseln sich mit inszenierten, performerischen Elementen ab 
( die Doppelstruktur Autor/Akteur spiegelt sich in jener von 
aktivem/passivem Protagonisten). Bei beidem aber wird die Konstruktion und 
Kalkulation herausgestellt: Was interessiert - der filmische Ertrag a- ist 
die Studie von Bewegungen, mal von chaotischeren, mal von geordneteren. 
Sackls Choreographien, die er in seine Tagesgeschäfte scheinbar ganz 
natürlich einflicht, sind improvisierte und dennoch präzisest  ausgeführte 
kleine Roboterballets, in denen er die Möglichkeiten der Einzelbildtechnik 
virtuos auskostet: ein in symmetrische Tableaus erzitternder, sich 
vervielfältigender Körper bezaubert, wie seine Mimesis ans Maschinelle 
befremdet. (Thomas Korschil)

"METROPOLEN DES LEICHTSINNS";
Ulrich Wiesner & Thomas Draschan/16mm/Ton/12Min./2000
Untertauchen, Zelleteilen, Scheibeschießen, Augenschließen- Türenschmeißen, 
Kurvennehmen, Mädchensehen, Stehengeblieben! Lichtgeblendet, 
Schalterdrücken- Topfsetkaufen, Welterklären, Lukashauen, Möbeldreschen, 
Sternesehen...(T.D.)

"PALATCA";
Gerhard Geiger/16mm/Ton/23Min./1999
Im Frühling 1997 reist Geiger nach Siebenbürgen, Rumänien und besucht das 
Dorf Palatca. Eine Dokumentation der Arbeitsabläufe einer Bauernfamilie 
entsteht, jedoch ist dies kein Abschwenken der Lebensumstände, versehen mit 
einem Kommentar aus dem Off. Geiger ist in dem Film stark zu spüren, so 
stark, das man sich frägt ob er nun gemeinsam mit den Bauern über das Feld 
geht, im Traktor fährt, das Pferd führt, das Brot bäckt. Oder will er uns 
etwa weismachen daß das die subjektive Sicht eines rumänischen Bauers auf 
seine Scholle ist, ein fiktives "Realitydokudrama" (- der Newspeak der 
Fernsehwelt vermag das so schwer Klassifizierbare so wunderbar unprätentiös 
zu etikettieren). Antworten auf die großen fünf "W" des Journalismus gibt 
Geiger vordergründig auch nicht. Doch indem er jeden Schritt zu antizipieren 
scheint, (er liegt eine Woche ohne laufender Kamera auf der Lauer um in der 
kommenden Woche das von ihm bereits in seinem Gedächtnis Visualisierte 
einzufangen) gelingt ihm ein unendlich differenziertes Bild der Abläufe 
innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens.. Zyklische Abläufe werden spürbar. 
Geiger arbeitet ohne Synchrontonkamera, das heißt, daß die Verifizierung der 
Kreisbewegungen des von ihm Festgehaltenen sich in die Struktur des Filmes 
einschreibt. - Auf einen Tag der Tonaufnahme folgt ein Tag der Bildaufnahme, 
und wunderlicherweise stimmen dann die Bewegungen, die eine Bäuerin beim 
Kneten des Brotteiges macht, exakt auf die Bilder dieser Tätigkeit, die eine 
Woche später gesammelt werden. So fügt sich ein Kreis in den nächsten, eine 
sanfte Spiralbewegung zieht einen immer mehr auf den alles überblickenden 
Aussichtspunkt hin, bis man das Gefühl bekommt, die Essenz der Strukturen, 
nach denen das Leben in dieser archaisch anmutenden Gemeinschaft 
funktioniert, zu verstehen.

Sonntag, 8.April 2001, 12h
Teil 3
ARBEITEN VON MONIKA SCHWITTE
"OBATALA"; 16mm/ohne Ton /3Min./1981
"MAGGI"; 16mm/ohne Ton /2Min./1982
"O.T."; 16mm/ohne Ton/9 Min./1988
"SELF-FULFILLING PROPHECY"; 16mm/ohne Ton 1.5 Min./1994
"O.T."; 16mm/ohne Ton/3Min./1999

zu "SELF-FULFILLING PROPHECY":
Ein Film ohne Anfang und Ende, eingegrenzt nur durch die Konventionen von 
Titel und Abspann. Unvermittelt überfällt er das Auge und gibt mit dem 
ersten Schnitt sein hohes Tempo vor. Als ob trotz seiner Stummheit ein 
präziser Schlagzeugryhthmus seinen Lauf begleiten würde. In den anderthalb 
Minuten, die die Bilder brauchen, um sich zu zeigen, scheint die Zeit zur 
Seite gerückt. Die Dichte der Bilder hat ihre eigene Dauer, die zu messen 
einem nicht in den Sinn kommt. Und dann plötzlich ein Bildfragment, das in 
der Dunkelheit noch ein wenig nachglüht, bevor man versteht, das es das 
letzte war. Ein Schluß, der immer wieder entgleitet.
Überfordert und rastlos lassen einen die Bilder zurück. Die Empfindungen und 
Gedanken versuchen, das Gesehene zu wiederholen, zu gliedern , ihm eine Form 
zu geben, nach einer Bedeutung zu fragen. Vor allem aber wollen die Augen 
noch einmal hinsehen, weil sie es sind, die sich in dieser Fülle verloren 
haben und deren Blicke doch die wichtigsten Partner der Bilder sind.
Dann steigen erste Blicke in der Erinnerung auf und gewinnen Kontur. Eine 
Wiese mit Bäumen, Gesichter von Frauen die sich einander zuwenden, ein Sofa, 
Hände und Gesten. Aber was sich hier schon wie Bruchstücke einer Story 
liest, ist auf dem Film überlagert, beschnitten und isoliert durch eine 
freie Choreographie gemalter Flecken, Formen und Strukturen. Die Fragmente 
gefundenen Materials, die Eingriffe der retouchierenden Hand und der 
Rhythmus des Schnitts verbinden sich zu einer eigenen Wirklichkeit. Sind es 
nur unsere Erwartungen an einen Film, die sich an Zeichen klammern und eine 
Handlung suggerieren? Oder ist es nicht doch so das an einigen Stellen eine 
wissende Kamera über die Szenen gleitet und der abrupte Wechsel von Schnitt 
und Gegenschnitt von einem dramatischen Höhepunkt erzählen würde? Es gibt 
hier keine Entscheidung, die die Dinge hier klar voneinander trennt. Die 
gleichen Bilder die eine Geschichte andeuten, leugnen sie auch. Jede 
Erzählung dekonstruiert sich selbst, und zugleich lauern im Gemenge der 
Bruchstücke die Ansätze zu anderen Szenen.
Je öfter man den Film sieht, desto mehr glaubt man, seine Struktur zu 
erkennen: Kleines folgt auf großes, Bewegungen verlangsamen und 
beschleunigen sich, einzelne Farben stoßen hervor und fallen wieder zurück, 
simultane Vielfalt wird abgelöst durch die Konzentration auf Weniges. Aber 
jede Analyse trägt nur einige Bilder weit. Was eben noch als Sequenz 
isolierbar schien, verliert beim erneuten Sehen an Umriß, gleitet hinein in 
das Folgende,  wird Teil von allem. Hier gibt es keine festgelegte 
Dramaturgie, keinen vorgezeichneten Plan. Film spricht sich wie Technik und 
Berechnung; der Lauf dieser Bilder folgt anderen Modellen.
So wie die Bilder aus dem Dunkeln als helles flirrendes Licht von der 
Leinwand reflektiert werden, kann nur ein Film sie hervorbringen. So wie sie 
hier erscheinen wird die Frage nach dem Medium jedoch unwichtig; sie tritt 
in den Hintergrund, weil die Bilder dessen Grenzen überschreiten, weil es 
bei einem Kunstwerk nicht um Handwerk, Regel oder Theorie, sondern um den 
angemessenen Gebrauch des Materials geht.
Erst wenn man so jenseits der Gewohnheiten alle Bilder in der gleichen 
Weise, mit der gleichen, gelassenen Aufmerksamkeit zu sehen beginnt, wenn 
sich im Kern des unablässig schnellen Rhythmus eine widersprüchliche Ruhe 
bildet, zeigt dieses Stück Film seine Besonderheit. Es ist, als ob man ein 
Detail betrachtet. Der Ausschnitt ist komplex genug, das Interesse zu wecken 
und zu halten, und doch scheint alles über diesen Rahmen hinaus zu streben. 
Dort vermutet man den Zusammenhang, der diesem Fragment seinen Ort gibt. 
Zugleich scheint das Detail aber auch für das Ganze einstehen zu können, 
seinen Sinn in sich selbst zu tragen. Man kann an die Malerei denken, wo 
schon in den unendlich vielen und nie zu entschlüsselnden Signalen der 
Pinselstriche und Farben eines kleinen Ausschnitts die Bedeutung und die 
Unbegreiflichkeit des ganzen Bildes liegt. Eines Bildes, von dem man weiß, 
daß es selbst nur Teil des überhaupt Möglichen ist.
Der Film baut in all seiner Überfülle und Zerstreuung eine paradoxe 
Konzentration auf. Er packt eine Vielzahl widersprüchlicher Elemente in den 
knappen Raum seiner Bilder. In seine kurze Dauer scheint eine Enzyklopädie 
zwischen Bild, Blick und Gedanken eingestellt Jede Beschreibung dieser 
Gedanken ist nur in Gegensätzen möglich: Wo Handlung durchscheint, wird sie 
vom reinen Bild in Frage gestellt; wo sich erkennbare Strukturen andeuten, 
lösen sie sich auf in bloßer Addition; wo man reale Dinge wiedererkennt, 
gleiten sie fort ins Ungegenständliche; wo Fiktion sich ausbreitet, wird sie 
aufgefangen in schierer Materialität; wo Bewegung ist, antwortet Stillstand; 
wo Zeit vergeht, bildet sich unausgesetzte Gegenwart....
Die Konzentration zielt nicht auf etwas Einzelnes, Geschlossenes, sondern 
auf die Offenheit, auf die Unbeschränktheit der Möglichkeiten. Das geschieht 
nicht um, sich dort zu verlieren, sondern um den Anforderung der realen 
Komplexität gerecht zu werden. Nur dadurch, daß die Beschreibung der Welt 
sich selbst reflektiert, kann sie eine wirkliche Vorstellung von sich selbst 
haben und geben. Im flirrenden Licht, das von der Leinwand in unsere Augen 
zurückgeworfen wird, in diesen nie einzuholenden Bildern jedoch entsteht für 
den kurzen Moment des Films ein Ort, an dem die Unendlichkeit des Sichtbaren 
und die Zweifel an seiner Bedeutung eine Form gefunden haben, das heißt 
ihren Schrecken verlieren und als Frage erhalten bleiben.
(Julian Heynen)

Texte (wenn nicht anders angegeben) von Georg Wasner

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